Von klein auf wächst Sam mit Büchern auf: Wann immer sie in der Bibliothek ihres Vaters ein Buch findet, in dem sein Lesezeichen liegt, weiß sie, dass er es für sie versteckt hat. Zu Weihnachten schenkt er ihr eine Schnitzeljagd mit Zitaten aus der Weltliteratur. Sams Vater ist nicht nur Bestseller- Autor, sondern auch ein direkter Nachfahre der Brontë-Familie. Als er stirbt, ist Sam die letzte lebende Verwandte der Schriftsteller-Dynastie. Alles, was ihr Vater ihr hinterlassen zu haben scheint, ist ein abgegriffenes rotes Lesezeichen. Oder ist es ein Hinweis auf ein geheimes Erbe? Die Öffentlichkeit hat ihren Vater schon lange im Verdacht, wertvolle Gemälde, Briefe und Romanentwürfe der berühmten Schwestern zu verstecken. Antworten hofft Sam am Old College in Oxford zu finden. Dort hat Sam zwar nur Augen für Bücher, ihr Professor und ein attraktiver Mathe-Student lenken sie jedoch mehr ab, als sie es sich eingestehen möchte. [Text & Cover: ©
Atlantik Verlag]
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Sobald ein Buch das Gehirn eines Autors verlassen hatte, bekam es ein Eigenleben und wurde zur einzigen Verbindung zwischen Leser und Autor. Dem aufmerksamen Leser offenbarte ein Buch Geheimnisse aller Art – sei es über seine Figuren oder mitunter über den Schöpfer selbst. (Seite 126)
Samantha macht sich auf, von Boston nach Oxford, um dort Literatur zu studieren. Sie ist die letzte Nachfahrin der berühmten Brontë-Familie. Natürlich bleibt nicht lange geheim, wer sie ist. Schon bald weiß das ganze College Bescheid. Die dortige College-Zeitung ist ihr auch aus diesem Grund schon bald ein Dorn im Auge. Samantha wird ständig nach ihren Vorfahren ausgefragt, bzw. werden ihr immer wieder die gleichen Fragen gestellt. Samantha ist genervt und es scheint ihr wie ein Fluch, mit den berühmtesten verstorbenen Frauen Englands verwandt zu sein. Sie selbst sieht ihre drei Cousinen, Anne, Charlotte und Emily ohnehin anders als der Rest der Welt. Samantha wurde jahrelang zu Hause unterrichtet, von Ihrem Vater und einer Privatlehrerin. Diese soll sie schon bald wiedersehen. Man trifft sich immer zweimal im Leben.
Es wird immer wieder gemunkelt, was wohl mit den einstigen Besitztümern passiert ist, wo sie abgeblieben sind. Eine Person interessiert sich dafür ganz besonders, John Booker. Samanthas Vater war nicht gut auf ihn zu sprechen und auch Samantha merkt schon bald, dass sie bei diesem Menschen kein gutes Gefühl hat. Er ist auf der Jagd nach allem materiellen, was die Familie Brontë hinterlassen hat und denkt, dass Samantha nach dem Tod ihres Vaters genau dieses geerbt und ihm - John Booker geben könnte. Samanthas Vater hinterlässt Samantha jedoch, ganz nach seiner spielerischen Manier, ein Lesezeichen und eine Nachricht. Natürlich ist die Neugierde groß. Dieses Erbe kann nicht alles sein.
Sir John hatte das Leben der Brontës studiert, um Interpretationshilfen für ihre Texte zu bekommen, mein Vater hingegen wollte anhand der Texte, und nur anhand der Texte, die Wahrheit über die Brontës herausfinden. (Seite 126)
Samantha selbst begibt sich auf eine jagt nach ihrem Erbe. Sie bekommt nach und nach Bücher vor ihre Tür und in ihren Turm gelegt. Samantha versucht herauszufinden, wer dies tat und … Nein, das verrat ich Euch natürlich nicht. Ihr Vater hat immer versucht Samantha beizubringen, Bücher und Geschichten richtig zu lesen. Auch ihr Tutor möchte, dass sie die Geschichten hinter den Geschichten hinterfragt, neue eigene Sichtweisen zu entdecken und zu entwickeln. Dass sich dies als schwierig entpuppt merkt man als Leser sehr schnell. Es ist teilweise sehr amüsant, den Wortgefechten zu folgen.
„Halten Sie mich für blöd, Samantha?“ „Soll ich auf diese Frage wirklich antworten?“, platze ich heraus. Er hielt inne. Mein Gesicht wurde Feuerrot. „Nun“, sagte er, „langsam kommen wir weiter.“ Und damit begann das Tutorium erst richtig. Die folgende Stunde verging in größtem Unbehagen. Orville sagte, meine Sätze seien fade, fragte, ob ich je so etwas wie Stilwörterbuch konsultiert hätte. Ich teilte ihm mit, dass ich lediglich künstlerische Freiheit für mich beanspruchte. (Seite 36)
Nicht nur verbal, auch in den zahlreichen Mails, die sich die junge Studentin Samantha und ihr Tutor Orville schreiben, sprühen vor Sticheleien, Herausforderung, Trotz und Hingabe. Einfach herrlich. Gerade dieses literarische Verhältnis lockert den ganzen Roman auf, der ansonsten sehr niveauvoll daherkommt.
Dieses Buch ist spannend geschrieben und geht an der einen oder anderen Stelle sehr ans Herz. Eine junge Frau, die auf der Suche ihrer selbst, ihrer Vergangenheit und Zukunft ist. Ich hatte immer wieder das Gefühl, das sich Samantha stark mit Anne Brontë identifiziert. Selbst am Ende dieses Romans zitiert sie sie noch einmal. Dann ist da auch noch ihr hinreißender Tutor. Ob sich da wohl mehr entwickelt, oder alles ganz anders kommt. Wer weiß. Nur so viel sei gesagt, der Anfang, die Mitte und das Ende dieses Romanes sind gut. So gut, dass ich Euch sagen kann, dieser Roman ist absolut empfehlenswert. Die Figuren/ Protagonisten sind alle bezaubernd beschrieben. Ich konnte die Geschichte förmlich vor meinen Augen sehen. Mittendrin statt nur dabei, oder wie sagt man?
Persönliches Fazit
Ich hatte schöne Lesestunden und einiges zum Grübeln. Literatur, wie ich sie mag.
Und Familie. Familie ist unsere Wurzel, alles aus dem wir sind entspringt unserer Familie. Ich glaube, erst wenn man selbst eine kleine Familie hat oder einen Teil seiner Wurzeln verliert, weiß man was Familie bedeutet. Geborgenheit, Offenheit, Echtheit und jede Menge Liebe. Aber auch Schmerz und Trauer. Es gehört alles zusammen. So ist es und so soll es sein. Dieser Roman hinterlässt Eindruck.
© Rezension: 2017, Susa
Die Kapitel meines Herzens | Catherine Lowell | Atlantik Verlagaus dem amerikanisch Englisch von Gaby Wurster
2017, Broschiert, 352, ISBN: 978-3455650860
[susa]
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