Gedankensammelsurium #3 | Warum ich lese. Und manchmal halt auch einfach nicht.

Warum ich lese. 

Schon Mitte des vergangenen Jahres hat sich Sandro Abbate vom Literaturblog Novelero ausführlich Gedanken dazu gemacht und diese Frage weiteren Literaturbloggern gestellt. Ein Stein kam dadurch ins Rollen und es ist daraufhin sogar eine Anthologie entstanden: 
Warum ich lese. 40 Liebeserklärungen an die Literatur - so der Titel. Das Buch ist im Homunuculus Verlag erschienen und es ist das Gemeinschaftswerk 40 deutschsprachiger Buchblogger, die in persönlichen Geschichten erzählen, warum die Literatur zu ihnen und zum Menschsein überhaupt gehört wie die Luft zum Atmen. Im Übrigen eine ganz wunderbare Geschenkidee für Buchliebhaber! 

Ich habe damals auch darüber nachgedacht und überlegt, einen Beitrag zu der Frage hier auf dem Blog zu schreiben, aber zu dieser Zeit stand dann doch einiges an wie zum Beispiel der Relauch der Seite - und dann ging es tatsächlich auch unter. Der ein oder andere wird vielleicht denken: "Was für eine Frage ist das überhaupt, das ist doch klar!" Aber wenn man sich dann doch mal genauer damit befasst, so klar und selbstverständlich ist es gar nicht. Ausschlaggebend dafür, warum ich das Thema jetzt, ein gutes Jahr später, wieder aufgreife, ist eine Frage, die mir von einem Bekannten gestellt wurde und die mir wieder einmal vor Augen führte, dass Lesen nicht für jedermann die Erfüllung ist.  

"Warum liest du denn überhaupt? Das ist doch pure Zeitverschwendung!"

Wummm! Da saß ich nun. Mund offen stehend und ungläubig aus der Wäsche blickend habe das erst einmal sacken lassen. Habe dann den Blick doch etwas über den Tellerrand gewagt und mir ist wieder bewusst geworden, dass es doch einige gibt, die mit Büchern und Geschichten so rein gar nichts anfangen können. Dass ich in deren Augen eher der Nerd bin, der sich am liebsten zwischen den Buchdeckel versteckt und dass wahre Leben verpasst. Aber dem ist ja überhaupt nicht so und dann kam mir diese Frage wieder in den Sinn und warum sie gar nicht so oberflächlich ist wie sie vielleicht im ersten Moment erscheint. In der letzten Zeit habe ich mir dann viele Gedanken dazu gemacht, zu meinen Vorlieben, zu meinem persönlichen Leseverhalten und was das Lesen letztlich für mich bedeutet. 

Und ich habe für mich selbst herausgefunden, dass eine Pause, ein wenig Abstand die Leidenschaft wieder frisch entfachen kann, wenn man das Gefühl hat, dass es etwas lau geworden ist. Ganz wie in so manchen Liebesbeziehungen! 



Also sitze ich nun da, nach über einem Jahr, und schreibe meine Gedanken dazu nieder: Warum ich lese. Und manchmal halt auch einfach nicht. 

Bücher sind und waren schon immer ein Thema bei uns zu Hause. Als ich klein war, staunte ich immer über die vielen Bücher, die die Regale meiner Mutter zierten. Wenn meine Mutter las, durfte ich oft nicht stören und ich wollte dann natürlich wissen, warum man so gefangen davon sein kann, Papier umzublättern, zumal da nicht mal Bilder drin waren. Langweilig! Aber dann lernte ich selbst lesen und bekam meine eigenen Bücher geschenkt und fand es selbst nach und nach heraus. Da stecken unfassbar tolle Geschichten zwischen den Seiten! Das Lesefieber packte mich sehr schnell und ich entdeckte den Bücherwurm in mir. Noch heute kann ich mich an die kleine, aber ganz feine Bücherei in unserem Dorf erinnern, die ich wirklich geliebt habe. Diese wurde auch von meiner Deutschlehrerin aus der Grundschule betrieben - und die habe ich ebenfalls sehr gemocht! Was habe ich aus dieser Bücherei Bücher mit nach Hause getragen und verschlungen, Abgabetermine versäumt  und manche Bücher immer und immer wieder von Neuem ausgeliehen. Hach, das war einfach schön. Zu dieser Zeit klebten hinten in den Ausleihbüchern noch diese Papierkarten drin, auf denen der Name und das Entleih- und Rückgabedatum eingetragen wurde. Könnt ihr euch noch daran erinnern? In so einigen Büchern stand mein Name wirklich sehr häufig drin, unter anderem in "Ronja die Räubertochter", eines meiner Lieblingsbücher. 

Es hat mir einfach schon immer Freude gemacht, in die Geschichten abzutauchen, andere Welten zu erkunden und der Fantasie freien Lauf zu lassen. Mein Kopfkino arbeitet schon seit jeher wunderbar und die Geschichten liefen vor meinem inneren Auge als Abenteuerfilme ab. 
Fernsehen war bei uns zu Hause kein großes Thema. Sehr lange gab es eh nur drei Programme und nachmittags war fernsehen auch nicht erlaubt. Wir spielten draußen und danach habe ich eben viel gelesen. Abends schauten meine Eltern Nachrichten, dann gab es ab und an "Familienprogramm" wie "Wetten dass" e.t.c. Ansonsten war ich gerne auf meinem Zimmer, habe es mir mit einem Buch gemütlich gemacht und war äußerst zufrieden damit. 

Natürlich kamen da auch andere Zeiten. Als Jugendliche rückten die Bücher eine ganze Weile in den Hintergrund. Nie ganz, aber jetzt erschienen mir dennoch andere Dinge erst einmal wichtiger. Das hielt relativ lange an und erst, als ich schon eine ganze Weile berufstätig war, packte es mich plötzlich wieder. Ich dachte immer öfter daran, dass ich doch einfach mal wieder einen schön langen und entspannten Leseabend machen könnte. Neue Bücher hatte ich zu diesem Zeitpunkt gerade nicht zu Hand, aber im Regal stand - von mir noch ungelesen - eine ganze Reihe der Karl May Bücher. Ich schnappte mir also einen Teil (ich gestehe, eher zögerlich) und legte los. Und siehe da, ich konnte nicht aufhören, bis ich etwas über vierzig Bände gelesen hatte. Ich war wieder voll und ganz leseinfiziert! 

Während ich dies schreibe, kann ich in Gedankens schon wieder meinen Bekannten vor mir sehen, der mit den Augen rollen und dabei sagen würde: "Oh Gott, was für eine Zeitverschwendung!" Aber das war und ist es für mich nicht. Ganz im Gegenteil. 


Lesen bildet mich, fasziniert mich, bereichert meinen Wortschatz, fordert meine Intelligenz und formt meinen Charakter. Geschichten nehmen mich mit auf eine Reise voller Abenteuer rund um die Welt und darüber hinaus. Geschichten lassen mich die Welt besser verstehen, erweitern meinen Horizont, bringen mich zum Lachen und zum Weinen und erlauben mir eine Auszeit aus dem Alltag. Nichts sonst kann mir das alles so sehr geben wie die fabelhafte und facettenreiche Welt der Bücher. Nichts lässt mich so gut abschalten, lässt mich einfach mal alles um mich herum vergessen und nichts gibt mir so viel mentale Kraft, wenn mal nichts mehr geht. Darum lese ich.


Aber manchmal lese ich aber auch einfach nicht. 

Manchmal sind da aber auch diese Momente, in denen ich innehalte und das Buch beiseitelege. Mal nur kurz, mal für ein paar Tage, zuletzt sogar fast einen ganzen Monat ( >> ich berichtete darüber kurz im letzten Gedankensammelsurium) . Zuerst fand ich es beängstigend. Nichts Schlimmeres als die Lust am Lesen zu verlieren, dachte ich mir. Als Bibliophile und Bloggerin machte ich mir da natürlich Gedanken und zwang mich zuerst zum Weiterlesen, dachte, diese "Flaute" geht dann wieder vorüber. Aber heute weiß ich es besser. Lesepausen tun mir zwischendrin einfach nur mal gut. Ich muss nicht jeden Tag lesen. Ich brauche ab und an einfach ein klein wenig Abstand, um zu reflektieren, anderes zuzulassen, Freiraum im Kopf zu schaffen, in dem sich die gelesenen Geschichten türmen.  Dann stürme ich in die Natur, gehe Mountainbiken, probiere neue Rezepte aus und treffe mich mit Freunden. 
Ich lasse dann die Bücher einfach mal Bücher sein, bedränge mich nicht, genieße meine anderen Hobbys und Lebensfreuden. Und plötzlich kann ich ihn wieder ganz von selbst hören, diesen leisen, aber intensiven Ruf der Bücher. "Lies mich!" Diesem verlockenden Ruf folge ich dann natürlich prompt. Alles ist gut. 


Liebe nichtlesenden Freude. Traut Euch und greift zu einem Buch. Werft Eure Vorurteile über Bord und probiert es einfach aus. Nicht immer springt der Funke über, dessen bin ich mir bewusst. Aber vielleicht eben doch - und DANN werdet Ihr verstehen, warum ich lese. 

Liebe lesende Freude. Warum lest Ihr? 

Bildquelle: kaboompics.com 
[alexandra]

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