Ganz großes Kino
In den Straßenschluchten von New York lässt der internationale Star-Autor Don Winslow ein alptraumhaft realistisches Szenario von Drogen, Menschenhandel, Mord entstehen. Er zeichnet die todbringende Allianz von staatlichen Stellen und organisiertem Verbrechen: Sie sehen sich als Elitetruppe der Polizei, eine verschworene Einheit, ausgestattet mit weitreichenden technischen und rechtlichen Möglichkeiten. Gemeinsam sollen sie für Ruhe und Ordnung in ihrem Revier sorgen, dem nördlichen Manhattan. Und genau das tun sie. Hier gelten ihre Spielregeln, hier geschieht nichts ohne ihr Wissen. Doch die Truppe ist extremem Stress ebenso ausgesetzt wie extremen Risiken ... und extremen Verlockungen ... [© Text und Cover:
Droemer Verlag]
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Eigentlich ist Detective Dennis Malone keine wirklich große Nummer im New Yorker Polizeiapparat. Aber nach achtzehn Jahren Dienst und als Mitglied der Special Taskforce sieht er sich als König von Nordmanhattan. Er hat sein Refugium im Griff, er weiß, mit wem er zusammenarbeiten und wie er mit den Einwohnern umgehen muss. Sie respektieren ihn, manche fürchten ihn und sein Team. Dabei ist es oft ein Tanz auf der Rasierklinge, das Gleichgewicht zu halten zwischen den ethnischen Gruppen, den Vorgesetzten, den Richtern und Staatsanwälten, den Drogen- und Mafiabossen und auch den Ansprüchen seiner Familie. Er ist davon überzeugt, dass er das entscheidende Element ist, das alles zusammenhält. Das macht er mit einiger Härte, denn als weißer Cop in Harlem kann er sich nur Respekt verschaffen, wenn er keine Schwäche zeigt.
„»O mein Gott!«
»Gott ist nicht da«, sagt Malone. »Aber ich bin da. Der Unterschied zwischen Gott und mir ist, dass du von mir keine Gnade erwarten kannst.«" (S. 241)
Es ist wenig überraschend, dass Malone und seine Truppe keine reine Weste haben. Mir scheint es geradezu unmöglich, in diesem Moloch sauber zu bleiben. Geht es ihnen aber tatsächlich nur um das Wohl des Viertels und seiner Bewohner? Es schadet doch niemandem, wenn sie etwas von dem beschlagnahmten Drogengeld behalten. Man muss ja auch an die Zukunft der eigenen Kinder denken. Das kann sich Malone zwar einreden, er gerät dabei aber immer tiefer in den Sumpf der Korruption. Don Winslow bietet hier keine klare Grenze an zwischen Gut und Böse. Es gibt nicht nur schwarz und weiß, es sind die Grautöne, in denen sich Malone bewegt. Es ist erschreckend, wie groß die Dimensionen der Vorteilsnahme sind. Ob Dienstaufsicht, Staatsanwalt, Richter oder Bürgermeister, jeder hat seine eigenen Interessen und geht jeden möglichen Weg, um sie durchzusetzen.
„Nimmt ein Cop ein Schinkensandwich an, damit er mal kurz wegguckt, ist er seinen Job los. Lässt sich der Kongressabgeordnete Mr. Asshole von einem Waffenproduzenten schmieren, damit er für laschere Waffengesetze votiert, ist er ein Patriot." (S. 129)
Das Thema „Dirty Cop", wie Malone sich selbst bezeichnet, ist nicht neu. Die Intensität von Don Winslows Roman zieht mich aber total in seinen Bann. Die komplexen Zusammenhänge zwischen den Behörden, den Kriminellen und den Cops sind äußerst glaubhaft geschildert. Ich kann mir das auch gerade in New York City so vorstellen. Diese besondere Stadt mit ihrer kulturellen Vielfalt ist der perfekte Schauplatz für den Roman. Don Winslow weiß, wie die Bewohner ticken. Ob Rassismus, Bandenkriminalität oder die Nachwirkungen von 9/11, es sind viele Dinge, die Auswirkungen auf sie haben und dieses Pulverfass brodeln lassen.
Persönliches Fazit
Mit „Corruption" hat Don Winslow einen Thriller geschrieben, der mich durch seine Intensität sehr gefesselt hat. Seine Charaktere sind so authentisch und ihr Verhalten wirkt so echt, dass ich mir die Realität gar nicht anders vorstellen kann. Einfach großes Kino!
© Rezension: 2017, Marcus Kufner
Corruption | Don Winslow | Droemer Verlag
2017, gebunden, 544 Seiten, ISBN: 9783426281680
Aus dem Amerikanischen von Chris Hirte
[marcus]
Labels: Beitrag von Marcus, Rezension, Thriller