Eine Buchperle: Der dritte Mann | Graham Greene | Illustriert von Annika Siems

Ein Klassiker in edlem Gewand.


[©Cover: Edition Büchergilde]

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Graham Greene (1904-1991) schrieb das Buch „Der dritte Mann" für die Verfilmung mit Orson Welles, die 1949 in die Kinos kam. Regie führte damals Carol Reed. In seinem Vorwort erzählt Greene, dass er den Text als Erzählung konzipiert hat, um im Gegensatz zu der üblichen Kurzform eines Drehbuchs mehr Stimmung und Atmosphäre einzufangen. Obwohl es nicht vorgesehen war erschien dann das Buch erstmals im Jahr 1950.




Die Geschichte

Rollo Martins kommt auf Einladung seines alten Freundes Harry Lime nach Wien. Dort erfährt er zu seinem Entsetzen, dass Harry von einem Auto angefahren wurde und starb. Er kommt gerade noch rechtzeitig zu Harrys Beerdigung. So mir nichts dir nichts will Rollo aber nicht wieder abreisen. Als er sich bei den Beteiligten über die Details des Unfalls erkundigt, fallen ihm kleine Ungereimtheiten auf und er glaubt bald schon nicht mehr an einen Unglücksfall. Er gerät in ein tödliches Spiel zwischen Schiebern und Ermittlern.



Ich habe auch schnell das Gefühl, dass man nichts von dem, was die Zeugen berichten, glauben kann. Das erschafft einen ganz klassischen Spannungsbogen, der Schritt für Schritt zur Wahrheit führt. Greene zieht mich mit der starken Charakterisierung seiner Protagonisten, seiner stimmigen Erzählform und dem Setting in seinen Bann. Gerade die Umstände in Wien kurz nach dem Zweiten Weltkrieg tragen dazu bei. Die Stadt ist unter den vier Siegermächten in Zonen aufgeteilt. Vieles läuft unter der Hand, es gibt Verhaftungen und Entführungen. Das Vertrauen zwischen Russen und Engländern, Amerikaner und Franzosen schwindet. Wer keine Papiere hat kann sich kaum in den Straßen bewegen. Vieles läuft verdeckt und im Untergrund. Dieses ungewöhnliche Umfeld verstärkt das Gefühl der Unsicherheit enorm.



Dass das Buch als Drehbuch diente, merke ich daran, wie es Bilder wie von einem Film in meinem Kopf erzeugt. Ich sehe es praktisch vor mir, wie Rollo durch das winterliche Wien stapft mit dem Gefühl, verfolgt zu werden. Wie er den Hut tiefer zieht und den Mantelkragen aufstellt. Greene fängt die typische Atmosphäre eines Film Noir perfekt ein.


Die Illustrationen

Das geheimnisvolle und düstere der Vorlage sollte sich auch in den Illustrationen wiederfinden. Mit den in Sepiafarben gehaltenen Tuschezeichnungen verstärkt Annika Siems die Stimmung des Buchs nochmal. Die zumeist auf Doppelseiten gedruckten Bilder von dunklen Winkeln und angespannten Gesichtern sind großartig gemacht und ziehen mich förmlich in die Zeit der vierziger Jahre. 



Diese Ausgabe von „Der dritte Mann" ist eine ganz besondere und ein Must-have für Freunde des klassischen Thrillers.

© 2017, Marcus Kufner









Der dritte Mann | Graham Greene | Edition Büchergilde
Illustriert von Annika Siems
Aus dem Englischen von Nikolaus Stingl
2017, gebunden, 200 Seiten, ISBN: 9783864060762


[marcus]

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