Rezension: Hool | Philipp Winkler

Von der Shortlist des Deutschen Buchpreises 2016:









Jeder Mensch hat zwei Familien. Die, in die er hineingeboren wird, und die, für die er sich entscheidet. HOOL ist die Geschichte von Heiko Kolbe und seinen Blutsbrüdern, den Hooligans. Philipp Winkler erzählt vom großen Herzen eines harten Jungen, von einem, der sich durchboxt, um das zu schützen, was ihm heilig ist: Seine Jungs, die besten Jahre, ihr Vermächtnis. Winkler hat einen Sound, der unter die Haut geht. Mit HOOL stellt er sich in eine große Literaturtradition: Denen eine Sprache zu geben, die keine haben. [© Text und Cover: Aufbau Verlag]

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Warum zum Henker verabredet man sich denn nur, um sich gegenseitig zu verprügeln? Was für mich gar keinen Sinn ergibt, ist für Heiko das Größte. Da treffen sich Gruppen, fünfzehn gegen fünfzehn, und wer am Schluss noch steht, gewinnt. Das hat mit einem Fußballspiel nicht viel zu tun, das gucken sie meistens gar nicht an. Aber man vertritt seinen Verein und seine Heimatstadt, da gibt man doch alles! Und es schweißt die Gruppe zusammen, seine Freunde sind für Heiko das Wichtigste.

Ganz klischeehaft ließe sich erklären, wieso Heiko so eine niedrige Hemmschwelle zur Gewalt hat und sich nur schwer in die Gesellschaft integriert. Ob die zerrüttete Familie oder das Umfeld mit Bikern, Gangs, Drogen und Waffen, da gibt es viele Ansätze. Philipp Winkler sucht in seinem Roman jedoch gar nicht nach Gründen für sein Verhalten. Er schreibt aus Heikos Perspektive, weshalb er nie den erhobenen Zeigefinger herausholt oder gar von oben herab besserwisserisch kommentiert. Das macht den Roman äußerst glaubwürdig und authentisch.



Außer dass wir Heiko eine Weile begleiten, gibt es immer wieder Kapitel, die auf wichtige Ereignisse in seinem Leben zurückblicken. Meist sind das Dinge, die in der Familie passieren. An seiner Reaktion merke ich, dass er durchaus sein Herz am rechten Fleck hat. Gerade dass er oft sprachlos ist (was ihn wirklich böse zum Fluchen bringt) oder überfordert scheint, macht ihn mir sympathisch. Und dass für ihn die Neonazis ein absolutes No-Go sind, gibt nochmal einen dicken Extrapunkt!

„Ich nickte. Also, glaube ich. Weiß noch, dass es sich aber irgendwie mehr so anfühlte, als würde ich den Kopf einziehen und dann vorstrecken. So als ob ich versuchen müsste, eine ganze Bratwurst mit einem Mal herunterzuschlucken." (S. 184)

Was mich schwer begeistert, ist Heikos Sprache. Er ist nun mal kein Linguist, seine Sätze fallen eher kurz aus. Und trotzdem sind seine Ausdrucksweise und Vergleiche sehr einfallsreich. Manchmal wird er vulgär, was sicher nicht jedem Leser liegt, mich aber sehr amüsiert hat. Manchmal ist er aber auch geradezu poetisch.

„Ihr Lachen klingt wie so ein Windspiel, oder wie die Dinger heißen. Wie ein Sommerregen, der auf mein entblößtes Hirn rieselt, mich beruhigt und mir das Gefühl gibt, das ganze Drecksleben wär doch irgendwie erträglich." (S. 119)

Sehr beachtlich, dass es Philipp Winkler mit seinem Debütroman auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises 2016 geschafft hat. Ich kann es nachvollziehen.

Persönliches Fazit

Mich hat „Hool" begeistert mit seinem authentischen Helden, dem spannenden Umfeld und vor allem mit seiner unkomplizierten und doch so ausdrucksstarken Sprache. Ein unkonventioneller und sehr stimmiger Roman, den ich gar nicht mehr aus der Hand legen wollte.

© Rezension: 2017, Marcus Kufner 


Hool | Philipp Winkler | Aufbau Verlag
2016, gebunden, 310 Seiten, ISBN: 9783351036454

[marcus] 

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