Rezension: Mr. Sapien träumt vom Menschsein | Ariel S. Winter

Die Frage nach dem Sinn des Daseins.







Mr. Sapien, der Held von Ariel S. Winters Science-Fiction-Roman, ist ein Roboter – lebensmüde und völlig aus der Mode gekommen, weil noch von Menschen gemacht –, der sich gezwungen sieht, aus der Stadt zu fliehen, weil ihm die Abschaltung droht. Als ausgewiesener Menschenliebhaber war der Android dort zudem immer mehr der sozialen Ausgrenzung ausgesetzt gewesen. Nun zieht er sich an die einsame englische Küste zurück, um in einem angemieteten Strandhaus auf dringend benötigte Ersatzteile zu warten. Sein halbherziger Suizidversuch hat ihn etwas beschädigt zurückgelassen. Dabei hängt er doch eigentlich so sehr am Leben. Da wird er auf seine einzigen Nachbarn in der Umgebung aufmerksam, eine rätselhafte Patchwork-Androidenfamilie, die ›Asimovs‹, die ein Geheimnis zu verbergen scheint: Unter ihnen soll einer der letzten Menschen leben … Hat er die Antworten, nach denen Mr. Sapien sucht? Oder ist es die Familientragödie der Asimovs, die ihm mehr über das Menschsein verrät, als es ein Mensch je könnte? [© Text und Cover: Droemer Knaur Verlag]

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Was für ein faszinierendes Science-Fiction-Szenario: die Welt ist hauptsächlich von Androiden bevölkert – allerdings leben auch noch Menschen unter ihnen. Die letzten Überlebenden der ursprünglichen Erschaffer spielen allerdings kaum noch eine Rolle. Die Roboter können sich bereits selbst vermehren und haben längst die Kontrolle übernommen. Die Menschen werden gerade so geduldet.

Ist es nicht interessant, wie schnell wir einer Maschine ein Bewusstsein zugestehen, wenn sie einen Namen hat? Der Roboter „Mr. Sapien" lernt die Asimovs kennen, um die es im Roman hauptsächlich geht. In Rückblenden erfahren wir wie es kam, dass diese Androidenfamilie ein menschliches Kind aufgenommen und großgezogen hat. Dass eine solche Konstellation Probleme mit sich bringt, ist naheliegend. Entscheidend dafür ist, dass die Maschinen über eine komplexe emotionale Bandbreite verfügen. Sie streben sehr danach, dem Menschen ähnlich zu sein, obwohl sie sie eigentlich für minderwertig halten.

„So zerbrechlich, diese Bioformen. So nutzlos." (S. 147)

Sie bemessen dem menschlichen Leben keinen Wert bei. Einen davon umzubringen ist für die meisten keine große Sache. Klar, denke ich da, sind ja Maschinen. Ich muss aber doch nur die Nachrichten einschalten, um zu erkennen, dass es zu viele Menschen gibt, die das auch so sehen. Ariel S. Winter hält uns hier sehr treffend den Spiegel vor. 

Eigentlich sind die Androiden für die Ewigkeit gebaut, die neueren Modelle sind nahezu unzerstörbar. Und doch sterben immer wieder welche. Sie lassen sich einfach abschalten, weil sie sich nicht mehr als nützlich empfinden. Die Neuen können ja so viel mehr, da räumen sie freiwillig das Feld. Deprimierte Roboter? Maschinen, die verzweifelt den Sinn ihres Daseins suchen? Klingt kurios und ist doch auch eine distanzierte Betrachtung des Menschen. Ist es wirklich erstrebenswert, das ewige Leben zu erreichen oder macht nicht gerade das Bewusstsein des Sterbens den Wert des Lebens aus? Diese und andere moralischen Fragen drängen sich bei der Lektüre des Romans auf.

Die Atmosphäre des Buchs ist sehr gelungen. Von Beginn an ist diese neue Welt für mich glaubhaft und nachvollziehbar. Durch die Emotionen erhalten die Androiden einen starken Charakter. Das weckt bei mir wiederum Sympathie und Antipathie. Sogar Liebe hat in diesem Zukunftsszenario noch Platz.

Persönliches Fazit

„Mr. Sapien träumt vom Menschsein" bietet ein sehr glaubhaftes Science-Fiction-Szenario mit vielen Emotionen und starken, hauptsächlich androiden Charakteren. Trotz seiner unkomplizierten Schreibweise wirft der Roman tiefgründige Fragen auf. Ich habe das Buch geradezu verschlungen.

© Rezension: 2016, Marcus Kufner

Mr. Sapien träumt vom Menschsein | Ariel S. Winter | Droemer Knaur Verlag
Aus dem Amerikanischen von Oliver Plaschka
2016, broschiert, 240 Seiten, ISBN: 9783426519325

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