Eine bitterböse Komödie der erotischen Verwirrung und Verblendung
Bedford Hills ist ein wohlhabender Vorort von New York. Wer hier wohnt, hat einen guten Job in Manhattan, ein paar Kinder, eine Hypothek, einen Geländewagen und eine Mitgliedschaft im Country Club. Hier liegt auch die Savage Lane, eine Straße mit einigen Kurven, viel Grün und sieben schönen Häusern. Hinter den gepflegten Fassaden aber gärt und kocht es. Mark Berman, seit zwanzig Jahren mit Deb verheiratet, träumt von seiner sexy Nachbarin Karen. Deb ist rasend eifersüchtig. Obwohl sie selbst ein schmutziges Geheimnis hat. Eine bitterböse Komödie der erotischen Verwirrung und Verblendung – mit tödlichem Ausgang. [Text und Cover:
Diogenes Verlag]
[mk] Wie schön ist es doch, hinter die Vorhänge der adretten Vorstadthäuser zu schauen. Wo nach außen hin alles ordentlich und vorbildlich ist. Wo Familien gehobenen Durchschnitts mit zwei Kindern und Hund wohnen. Eine Umgebung, die mich doch gleich an die Fernsehserie „Desperate Housewives" erinnert. Und wie dort ist es auch hier nicht so, wie es nach außen hin scheint.
Der verheiratete Mark, Mitte vierzig, spürt eine intensive Verbindung zur geschiedenen Nachbarin Karen. Er ist sich sicher, dass die nur aus Respekt vor seiner Ehe noch nichts mit ihm angefangen hat. Seine Frau Deborah ahnt, dass da was läuft, und wirft ihm vor, sie zu demütigen. Gleichzeitig hat sie aber ein schmutziges Verhältnis mit einem Teenager. Der findet es ganz toll, mit einer richtigen Frau zusammen zu sein, mit den unreifen Mädels in seinem Alter kann er nichts anfangen. Er malt sich schon die Zukunft aus, die er mit Deb plant.
So geht jeder seinen Leidenschaften nach, und es geht wahrlich leidenschaftlich zu in diesem Buch! Keiner scheint in der Lage zu sein, seine Triebe und Obsessionen zu kontrollieren. Zwar haben die meisten ein Gewissen, handeln aber nicht danach. Deb beispielsweise ist durchaus klar, dass ihre Affäre höchst verwerflich ist, und dass sie ihrem Mann auch noch Vorhaltungen macht, geradezu grotesk ist. Die Charaktere sind was das betrifft überzeichnet, was aber letztlich ihren Reiz ausmacht.
Der Schwerpunkt liegt auf der Spannung, sondern auf der psychologischen Komponente.
Aus Leidenschaft passiert dann auch ein Mord. Als Leser bekomme ich das alles hautnah mit, ich rätsele also nicht bis zum Ende, wer es getan hat. Spannung wird daraus demnach nicht gezogen. Der Schwerpunkt liegt auf der psychologischen Komponente: wie geht der Mörder damit um? Wie reagieren die Familie des Opfers, die Nachbarn und Kollegen, als die Person verschwindet? Die gegenseitigen Verdächtigungen, Verleumdungen und Vorverurteilungen – plötzlich kann man keinem mehr vertrauen.
Spannend ist die Frage, wie es ausgeht. Wird der Mörder überführt? Wird es weitere Opfer geben? Der Täter ist einer der eiskalten Sorte. Es macht ihm geradezu Spaß, seine Spuren zu verwischen, ein richtiger Psychopath. Auch wenn es klischeehaft ist, sein Verhalten mit seiner schwierigen Kindheit und seinem familiären Umfeld zu begründen, erzeugt seine kalkulierende Art durchaus Gänsehaut.
PERSÖNLICHES FAZIT
„Phantasien" ist fast schon ein zu harmloser Titel für das Buch, sind es doch falsche Wahrnehmung, Einbildung oder beinahe schon Wahnvorstellungen, die manchen Protagonisten hier antreiben. Und nicht nur der Mörder ist so einer, ich frage mich, wie viel solcher Psychos wohl in echt frei rumlaufen. Auch wenn sich so manches Klischee finden lässt, ist der Roman durch seinen flüssigen Schreibstil und seine latente Spannung ein ordentlicher Pageturner.
© Rezension: 2016, Marcus Kufner
Phantasien | Jason Starr | Diogenes Verlag
Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog
23.09.2015, Taschenbuch, 400 Seiten, ISBN: 9783257300321
[marcus]