Rezension: Wir sahen nur das Glück | Grégoire Delacourt

Von einem Mann, der erst ganz unten ankommen muss, um zu verstehen, dass das Leben lebenswert und echtes Glück möglich ist.



[Klappentext] Wie viel ist ein Mensch wert? Das zu beurteilen ist Antoines Aufgabe als Gutachter einer Versicherung. Als die scheinbar heile Welt des Familienvaters zusammenbricht, seine Frau ihn verlässt, er seine Arbeit verliert und er für seine Kinder längst nicht mehr der große Held ist, muss er über den Wert seines eigenen Lebens nachdenken - und seine Bilanz ist vernichtend: Er hat es nicht geschafft, seinen Kindern ein besserer Vater zu sein, als sein eigener es ihm gewesen ist, hat genauso wenig wie sein Vater um die Liebe seines Lebens gekämpft … [© Text und Bild: Atlantik Verlag]

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[mk] So irreführend kann ein Buchcover sein: blauer Himmel, ein Mädchen spielt mit einem Ball und dann noch „Glück" im Titel. Wer jetzt einen Sommer – Sonne – Schöne Welt-Roman erwartet liegt gründlich falsch. In meist sehr kurzen Kapiteln springt Antoines Geschichte zwischen seiner relativ lieblosen, schicksalbelasteten Kindheit und seinem Leben heute hin und her. Er kommt nicht wirklich damit zurecht, dass seine Frau ihn verlässt, sein Vater unheilbar krank ist und er seine Arbeit verliert. Dies und weitere Schwierigkeiten belasten Antoine psychisch sehr. Mir als Leser wird damit erklärt, wieso dann passiert, was nicht passieren darf. Was das ist werde ich hier nicht verraten! 

Immer wieder sind es gerade die Dinge, die nicht geschehen, die sich wie ein Schmetterlingseffekt auswirken. Etwas mehr Liebe, etwas mehr Interesse, ab und zu mal eine Umarmung, und die Geschichte hätte sich anders entwickelt. Das lässt mich schon mal drüber nachdenken, wie das im echten Leben läuft, ob da vielleicht auch der eine oder andere nicht genug Aufmerksamkeit bekommt? Das lässt sich ja leicht ändern! 

In einer sehr sachlichen Sprache aus der Sicht der Protagonistin Antoine baut der Autor gekonnt ein psychologisches Spannungsfeld auf, das mich an seinen Höhepunkten emotional stark mitnimmt, mehrmals lege ich das Buch zur Seite um das Geschehen zu verarbeiten. 

Persönliches Fazit


Ich finde es mutig zu versuchen, das Schicksal einer Familie wie der von Antoine zu erklären und die psychologischen Zusammenhänge aufzubereiten. Es gelingt Grégoire Delacourt hervorragend. Die kurzen Kapitel und die schnörkellose Sprache machen das Buch zu einem Pageturner. Ein sehr aufwühlender Roman.


© Rezension: 2015, Marcus Kufner 



Wir sahen nur das Glück | Grégoire Delacourt | Atlantik Verlag 
Aus dem Französischen von Claudia Steinitz 
15. August 2015, Gebunden 272 Seiten, ISBN: 9783455600216 

[marcus]

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