Ein grausamer Mord an einem Soldaten erschüttert London – und der junge Kameramann Niall gerät als Zeuge zwischen die Fronten.
London. Der Kameramann Niall Stuart wird unfreiwillig Zeuge, als zwei junge Männer einen Soldaten in zivil grundlos angreifen und töten. Niall nimmt die Szene mit seinem Handy auf. Einer der Täter kommt zu ihm, das blutige Messer noch in der Hand, und bekennt, dass er den Mord im Namen Allahs begangen hat. Sein Komplize schwenkt die Flagge des Islamischen Staats. Als Niall wenig später den Auftrag erhält, eine Dokumentation über den Fall zu drehen, ahnt er nicht, dass er mit grausamer Absicht für diese besondere Aufgabe ausgewählt wurde. [
© Text und Bild: Heyne Verlag]
[wb] Eine brutale Hinrichtung eines britischen Staatbürgers (eines Angehörigen der Armee, wie sich herausstellt) durch Mitglieder des IS - kaum ein Roman erfaßt so brandaktuell die derzeitige Bedrohung der westlichen Lebensweise durch eine islamistische Gruppierung, deren Wirken nur schwer erfaßt werden kann. Die unmittelbaren gesellschaftlichen Auswirkungen sind sofort zu beobachten und verlangen der Autorin nur wenig an Kreativität ab: In Fernseh-Diskussionen fordert die Innenministerin eine strengere Überwachung und eine härtere Law-and-Order-Politik, während andere für eine Verbesserung der Integration werben und Experten die Mechanismen der Radikalisierung erklären. Übergriffe auf muslimische Einrichtungen beinhalten von verbal bis physisch alle Nuancen der eskalierenden Gewalt. Die ohnmächtige Wut wird von der Autorin präzise als Ausdruck einer "Angst, vor dem, was uns fremd ist", enttarnt. Was aber, wenn das Fremde nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, was, wenn die Attentäter Reisepässe unseres eigenen Heimatlandes besitzen? Und was, wenn der Staat nicht in der Lage ist, uns zu beschützen, was, wenn ein rechtschaffener Bürger unschuldig in die Mühlen des Gesetzes gerät?
Wie bereits aus dem - thematisch nicht verbundenen - Vorgängerroman "Brixton Hill" bekannt, setzt die Autorin auf einen rasanten Stil, in dem Actionszenen und Gespräche dominieren. Die Beschreibung von Örtlichkeiten und Situationen ist auf das Notwendigste beschränkt, die Handlung entwickelt sich vorwiegend in den Dialogen. Die Figuren werden dabei vor allem durch ihren Idiolekt, den ganz persönlichen Sprachgebrauch definiert. Der Austausch von Belanglosigkeiten wirkt dabei als verbaler Fugenkitt und taucht die Dialoge in das Licht des Alltäglichen.
Am Beginn wirkt der zum Islam konvertierte Brite Frank Holeywell, der sich selbst Farooq nennt, noch wie ein stereotypes Abziehbild eines fanatischen Terroristen, der mangelnde intellektuelle Kapazität mit der Wiederholung hohle Phrasen kompensiert und sich in Widersprüche verstrickt. Je mehr die Hauptfigur Niall jedoch im weiteren Verlauf dessen Biographie durchleuchtet, desto konturierter wird diese. Mit einem britischen Vater und einer palästinensischen Christin als Mutter ist Farooq von Geburt an ein Kind zweier Welten, das sich unausweichlich auf die Suche nach seiner religiösen Identität begeben muß. Aufgrund der dunklen Haare und den schwarzen Augen wird er bereits in der Schule von weißen Kindern gehänselt und von muslimischen gemieden. Sein Wunsch nach Zugehörigkeit bleibt unerfüllt, er wird zum leichten Opfer für ideologische Verführer. Frank bricht den Kontakt zu seinen Eltern ab, entkoppelt sich von seiner angestammten Umgebung, um zehn Jahre später als verblendeter Mörder mit einem fremden Namen selbstbewußt Haßbotschaften in eine Kamera zu sprechen.
Keineswegs soll Nialls Gespräch mit Franks Mutter Rana eine Rechtfertigung für seinen Wandel sein. Ohne Partei zu ergreifen, läßt die Autorin seine Wegbegleiter zu Wort kommen. "Wir sind nicht hier, um über Sie zu urteilen. Wir wollen wissen, was Frank für ein Mensch war", erklärt Niall. Nüchtern und weitgehend frei von wertenden Kommentaren bleibt auch der Erzählstil. Was auf den ersten Blick sträflich oberflächlich scheint, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als sprachliche Abbildung jenes Dokumentarfilmes, den Niall über die beiden Verbrecher produziert. Gezeigt werden Bilder, Eindrücke, Gespräche, Erinnerungen, eine Beurteilung wird dem Leser überlassen. Es gelingt der Autorin, deskriptiv zu bleiben, was zwar einerseits von vornherein nur wenig Emotion aufkommen läßt, andererseits gerade einen objektivierteren Blick auf das Geschehen ermöglicht, indem der Leser auf Distanz gehalten wird.
Die titelgebende Schwarzblende bezeichnet einen Filmschnitt, einen Szenenwechsel durch eine kurze Verdunkelung des Bildes. Eine solche Zäsur stellt auch die Ermordung des jungen Briten dar, deren unfreiwilliger Zeuge der Protagonist Niall wird. Der Handlungsfaden seines Lebens wird durchschnitten um gleich darauf wieder weitergesponnen zu werden. Was bleibt, ist eine nachhaltige Veränderung. Auch, wenn sich Niall um Neutralität bemüht, ist er doch ab diesem Zeitpunkt zum Teil des Geschehens geworden. Immer wieder schimmert daher zwischen den Zeilen die Frage, wie objektiv ein Objektiv tatsächlich sein kann ...
Persönliches Fazit
Actionreich, gefährlich, glühend aktuell: Zoe Beck widmet sich in rasanter Erzählweise einem Thema, das derzeit die Nachrichten beherrscht und dreht einen Dokumentarfilm für das Kopfkino. Der dialoglastige Stil fordert die Aufmerksamkeit des Lesers ein, entlohnt jedoch durch besondere Authentizität.
© Rezension, 2015 Wolfgang Brandner
9. März 2015, Taschenbuch, Broschur, 416 Seiten / ISBN: 978-3-453-41043-5
[wolfgang]Labels: Beitrag von Wolfgang, Heyne Verlag, Rezension, Thriller