[klappentext start]Ein riesiger Bär, der eine zerstörte Stadt terrorisiert. Eine junge Frau, die in den Ruinen nach biotechnologischem Abfall sucht. Ein Drogendealer, der daraus psychoaktive Drogen herstellt. Ein undefinierbares Wesen, das diese Welt für immer verändern wird … Borne sprengt alle Genregrenzen und zeigt, wie fantastisch Literatur heute sein kann. [© Text und Cover:
Verlag Antje Kunstmann][klappentext ende]
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Mit seinem Roman
„Auslöschung", der kürzlich auch verfilmt wurde, konnte mich Jeff VanderMeer sehr fesseln. Seine visionäre Darstellung einer bedrohlichen Zukunft hat mich in ihren Bann gezogen. Da wollte ich mir seinen aktuellen Roman nicht entgehen lassen.
Auch in „Borne" ist die Atmosphäre beklemmend. Rachel haust mir ihrem Freund Wick abgeschottet in einem verlassenen und teilweise zerstörten Wohnkomplex in einer größtenteils verwüsteten Stadt. Ihre Ausflüge nach draußen zur Beschaffung von Lebensmitteln und anderen brauchbaren Materialien sind sehr gefährlich. Marodierenden Banden oder herumstreunenden Tieren sollte sie lieber aus dem Weg gehen. Aber Rachel ist keine Anfängerin: sie traut sich sogar an „Mord" heran, einen riesigen, biologisch modifizierten Bären, in dessen Umfeld es meist Brauchbares einzusammeln gibt. Dass Rachel dabei auf Messers Schneider agiert, ist ihr bewusst.
Bei Mord findet sie auch dieses schwer zu definierende Wesen, dem sie den Namen „Borne" gibt. Vor der Apokalypse wurde viel an Biotechnologie geforscht und experimentiert. Daher ist Rachel nicht verwundert, eine unbekannte Form zu finden. Sie nimmt Borne mit in ihre Unterkunft. Davon ist Wick gar nicht begeistert, denn eine zentrale Frage ist: wer oder was ist Borne? Wick sieht in ihm eine mögliche Bedrohung, Rachel dagegen will Borne helfen und ihn großziehen. Borne wächst und lernt tatsächlich schnell. Aus der Kreatur, die einer Kreuzung zwischen Seeanemone und Tintenfisch gleicht, wird ein Gestaltwandler, der sogar sprechen kann.
„»Weißt du, warum es dich gibt?« Bornes neu ausgebildete Augenstiele, die ständig hervorschossen und sich dann wieder zurückzogen, sahen mich fragend an. »Der Grund«, sagte ich. »Du weißt schon – warum man überhaupt am Leben ist. Bist du zu einem bestimmten Zweck gemacht worden?« »Muss alles einen Zweck haben, Rachel?«" (S. 78)
Dass Machtbestreben und Gier die Menschheit an den Rand der Existenz bringen würde, ist sicherlich nicht weit hergeholt. Hier scheint bei der Entwicklung von Biotechnologie etwas schief gegangen zu sein. VanderMeer nutzt das, um Wesen zu erschaffen, die über Fähigkeiten verfügen, die weit über menschliche Beschränkungen hinausgehen. Damit erschafft er eine gleichzeitig beklemmende wie faszinierende Welt. Eine Welt, die nicht mehr von Menschen beherrscht wird. Wie hält man es in diesen Verhältnissen überhaupt aus? Zählt da nur noch das nackte Überleben oder braucht man nicht doch noch eine zumindest wage Hoffnung auf ein Leben in Sicherheit?
Rachel in dieser postapokalyptischen Welt zu begleiten hat mich sehr in den Bann gezogen. Dazu trägt auch VanderMeers besondere Schreibweise bei, die durchaus Aufmerksamkeit erfordert, dafür aber auch intensive Bilder im Kopf entstehen lässt.
Persönliches Fazit
Mit „Borne" erschafft Jeff VanderMeer eine ebenso bedrohliche wie faszinierende postapokalyptische Welt mit Wesen, deren Fähigkeiten das, was wir kennen, weit hinter sich lassen. Ein beklemmender, packender Roman, ein geradezu cineastisches Leseerlebnis!
© Rezension: 2018, Marcus Kufner
Borne | Jeff VanderMeer | Verlag Antje Kunstmann
Aus dem Englischen von Michael Kellner
2017, gebunden, 367 Seiten, ISBN: 9783956141973
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