Aufgelesen #33 | Meine Hörbuch-Highlights 2017 inklusive Gewinnspiel

Das Jahr 2018 ist inzwischen schon einige Neuerscheinungen alt, höchst an der Zeit also, noch einmal einen Blick zurück auf das vergangene zu werfen. Oder besser gesagt, die Ohren nach hinten auszurichten. Wie bereits zuvor lausche ich zurück auf die zwölf mit "2017" etikettierten Monate und erinnere mich an jene Hörbücher, die mich ganz besonders beeindruckt, mitgerissen, berührt, mir die Zeit verkürzt, meine Momente mit Erinnerungen aufgeladen haben. Ob beim Sport, beim Spazieren oder abends, wenn die Augenlider schon schwerer als die Gedanken sind, Hörbücher sind inzwischen zu einem Bestandteil meines Tagesablauf geworden, dem Lesen annähernd gleichwertig. Vor allem aber kann man sich in der zur Verfügung stehenden Zeit mit weitaus mehr Büchern beschäftigen, als dies sonst möglich wäre. Doch, wie die Entwicklung der Rezeptionsgewohnheiten zeigt, ist es müßig, die Vorzüge dieses zweiten Geschichtenkanals zu preisen ...



Die Bestätigung von Bewährtem und Wiederentdeckungen, das hielt das letzte Jahr vor allem für mich bereit, die Überraschung bestand darin, dass die tatsächliche Überraschung in Form einer mich des festen Standes beraubenden Neuentdeckung wie etwa in den Vorjahren ("Touch" von Claire North oder "Extinction" von KT) ausgeblieben ist. Somit, blicken ... hören wir zurück, um uns auf das Kommende zu freuen!

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10. Blake Crouch: Dark Matter - der Zeitenläufer

gesprochen von: Florian Lukas, Karoline Schuch | Dauer: 09h 59min

Was, wenn ich diese eine bestimmte Entscheidung anders getroffen hätte? Wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich mich an der Kreuzung für den anderen Weg entschieden hätte?

Wohl jedem sind solche Überlegungen vertraut, jeder kann Wendepunkte in seiner Biographie identifizieren. Die Vielweltentheorie der Quantenmechanik besagt, dass die Realität durch jede Entscheidung in eine Vielzahl an parallelen Universen aufgespalten wird, sodass jeder mögliche Ausgang mit all seinen Konsequenzen verwirklicht ist.
Jason Dessen, der genau diese Grenzbereiche der Wissenschaft erkundet, hat eine Möglichkeit gefunden, von einer Parallelwelt in die andere zu reisen. Von Arbeit und Karriere ausgebrannt, beschließt er, jene Welt zu finden, in der er sich sein perfektes Familienglück geschaffen hat - und löst damit eine katastrophale Ereigniskette aus.

In einer actionreichen Geschichte, die an die TV-Serie "Sliders" erinnert, entwirft der Autor phantasievoll ausgestaltete Szenarien, von der verheerten Dystopie bis zum technologischen Idyll. Dabei läßt er auch die unterschiedlichen Versionen der Persönlichkeit seiner Hauptfigur aufeinandertreffen, die durch ihre jeweilige Umwelt unterschiedlich geformt wurden. Der wahre Verdienst des Romans besteht darin, nicht nur bestens zu unterhalten, sondern den Leser / Hörer zum Nachdenken anzuregen, jenen Punkt in der Erinnerung zu suchen, an dem sich die Frage stellt: Was wäre, wenn ...

9. Sebastian Fitzek: AchtNacht

gesprochen von: Simon Jäger | Dauer: 8h 39min

Vom jenem Autor, der das Genre des deutschen Psychothrillers in den letzten Jahren maßgeblich geformt hat, Sebastian Fitzek, sind im letzten Jahr zwei Titel erschienen, beide souverän nervenkitzelnd vorgetragen von Simon Jäger. Wiewohl beide hochspannend die subjektiv wahrgenommene Hörzeit auf einen Bruchteil der tatsächlichen Spieldauer verkürzten, gestaltet sich AchtNacht doch im wahrsten Sinne des Wortes als bodenständiger: Zum einen steht den Figuren, anders als in "Flugangst 7A", durchwegs mehr Bewegungsfreiheit als in der Abgeschlossenheit eines Flugzeugs zur Verfügung, zum anderen gleichen die Wendungen in der Geschichte eher scharfen Kurven als magenbeeinträchtigenden Loopings.

Das Szenario einer öffentlichen, straffreien Menschenjagd garantiert eine action- und temporeiche Geeschichte und löst gleichzeitig Beklemmung aus: Gerade im Lichte politischer Debatten auf Social Media und den sich gegenseitig in Echokammern bestärkenden Meinungen kann verbale Gewalt eskalieren und in körperliche umschlagen. Wie eine Karikatur ist der Roman überzeichnet, doch das bedeutet auch, dass seine Handlung in ähnlicher Form nicht gänzlich unwahrscheinlich ist ...

8. Jens Henrik Jensen: Oxen - das erste Opfer

gesprochen von: Dietmar Wunder | Dauer: 13h 23min


Der dänischer Kriegsvetran Oxen zieht sich, seelisch schwer gezeichnet von den erlebten Grausamkeiten, aus der Zivilisation zurück und lebt gemeinsam mit seinem Hund als Einsiedler in den Wäldern. Als ein einflussreicher Poliitiker ermordet und der Verdacht auf Oxen gelenkt wird, erklärt er sich gezwung enermaßen bereit, seine besonderen Fähigkeiten in den Dienst der Aufklärung des Falles zu stellen. Dass er im Fall des Scheiterns als universeller Sündenbock dienen soll, bemerkt er erst, als er bereits in den Mühlrädern der Geheimdienste steckt. Ihm bleibt nur die Flucht nach vorn ... wo er auf eine Verschwörung einflussreicher Persönlichkeiten stößt ...

Mit dem traumatisierten Elitesoldaten hat der Autor eine interessante Figur geschaffen: einen cholerischen Eigenbrödler, dessen Bekanntschaft man nicht machen möchte, aber den man gerne dabei beobachtet, wie er in Rambo-Manier lautlos in den Reihen seiner Feinde wütet. Die schnell geschnittenen Actionsequenzen werden durch den emotionalen Vortrag von Dietmar Wunder zu einem intensiven Kopfkinoabend. Und auch, wenn der Handlungsverlauf zunächst nach austauschbarer Unterhaltung klingt, gewinnt er mit zunehmendem Verlauf an Tiefe und entpuppt sich schließlich als Spitze eines Eisbergs und weckt die Neugier auf die folgenden Teile. 

7. Markus Heitz: Des Teufels Gebetbuch

gesprochen von: Uve Teschner | Dauer: 18h 15min

Markus Heitz ist mit einem bewundernswerten Erzähltalent gesegnet. Er beschäftigt sich mit einem Thema so eingehend, dass am Ende eine Geschichte steht, die verästelt ist wie das Leben selbst, sich dabei aber stets an einem erkennbaren roten Faden orientiert. Der Titel des Romans ist eine mittelalterliche Bezeichnung des Kartenspiels, aus der bereits das Wissen um die gefährliche Wirkung spricht. Diesen Namen nimmt der Autor wörtlich, als Ausgangspunkt dient ein Ende des 18. Jahrhunderts im Auftrag des Höllenfürsten angefertigtes Spiel, dazu bestimmt, Zwietracht unter den Menschen zu säen.

Auf der Suche nach den einzelnen Karten schickt Heitz in der Gegenwart seine Protagonisten um die Welt und erzählt dabei peu à peu die Kulturgeschichte des Kartenspiels. In unterschiedlichem Ausmaß der diabolischen Wirkung verfallen, verfolgt jede Figur ihr eigenes Ziel und mischt so die Handlung immer wieder neu. Die folkloristische Mystik rund um Sucht und Glück, um Gewinn und Verlust ganzer Existenzen an den Wirtshaus- und Casinotischen wird dabei durch eine wohldosierte Menge an phantastischen Elementen verstärkt und abgerundet. Und ein ganz besonderes Gustostück sind die Passagen um den jungen Goethe, der auf den Weg in Auerbachs Keller einem furchteinflößenden schwarzen Pudel begegnet ...

6. Omar El Akkad: American War

gesprochen von: Uve Teschner | Dauer: 13h 10min

Was ich aufgrund der Beschreibung des Romans erwartet habe, war ein gesellschaftskritisches Zukunftsszenario, in dem die vorhergesagten Auswirkungen des Klimawandelns eingetreten sind und die Menschheit im Kampf um die verbliebenen natürlichen Ressourcen liegt.

Was ich mit diesem Hörbuch durchlebt habe, war ... anders.

Der Titel verrät es eigenltich bereits, "American War" handelt von einem amerikanischen Bürgerkrieg in nicht allzuferner Zukunft. Der politische und ökologische Kontext dient dabei nur als Rahmen für die eigentliche Geschichte der Soldatin Sarat Chestnut. (Kein Schreibfehler, das "t" hat sie sich an ihren Vornamen genagelt.) In den Wirren der Schlachten wird sie mit ihrer Mutter und ihrem Bruder aus ihrem Haus vertrieben und verbringt ihre Jugend in einem Flüchtlingslager, wo sie sich zu behaupten lernt und erstmals mit den einander bekämpfenden Ideologien in Berührung kommt. Als das Lager angegriffen wird, überlebt sie als eine der wenigen und schwört Vergeltung.

Anhand dieser Figur erlebt der Leser, weldche körperlichen und seelischen Wunden ein andauernder Kriegszustand schlägt, wie Tod und Zerstörung eine Kindheit vergiften, wie verheerende Erlebnisse traumatisieren, in blinden Fanatismus führen und Lebensfreude in Verbitterung verwandeln. Der nüchterne, weitgehend emotionslos-dokumentarische Erzählstil vermittelt den Eindruck größtmöglicher Objektivität und verstärkt gerade dadurch den dargestellten Wahnsinn. Der Begriff "Gänsehaut" greift zu kurz, "American War" verstört und erschüttert.

5. Neil Gaiman: American Gods

gesprochen von: Stefan Kaminski | Dauer: 22h 44min

Der nordamerikanische Kontinent wurde von Einwanderern aus aller Welt besiedelt und kolonialisiert. Neben Sprachen, Wertvorstellungen und Geschichte trugen die Einwanderer auch ihre Religionen mit im mentalen Gepäck. Hier treffen slawische Gottheiten auf haitianischen Voodoo, hier finden sich irische Leprechauns neben hinduistischen Brahmanen. Doch die Lebenskraft dieser mythologischen Figuren, die in Gestalt sterblicher Menschen durch die Straßenschluchten von New York schlendern, schwindet, der Glaube an sie gerät immer mehr in Vergessenheit. Sie werden verdrängt durch moderne Gottheiten, jene Ideale, denen die Menschen ihre Verehrung schenken, wie Technologie und Internet, Fernsehen oder den Kapitalismus.

Die Hauptfigur Shadow, ein sterblicher Mensch, wird von einem geheimnisvollen Mr. Wednesday angeheuert, die alten Götter aus ihrer Lethargie zu reißen und sie für die finale Schlacht anzustacheln. Neil Gaiman, der sich intensiv mit der nordischen Mythologie beschäftigt - und auch ein eigenes Werk dazu verfasst hat - inszeniert eine Götterdämmerung mit aktuellen Bezügen, in der Odin und Loki als Regisseure fungieren.

Vokalvirtuose Stefan Kaminski verwebt die einzelnen Handlungsstränge zu einem vielstimmigen Hörerlebnis mit überraschenden Wendungen. Denn, was für ein Feldherr wäre der nordische Göttervater, hielte er nicht die eine oder andere Kriegslist bereit ..?

4. Peter Swanson: Die Gerechte

gesprochen von: Christiane Marx, Britta Steffenhagen, Oliver Brod, Uve Teschner  | Dauer: 11h 06min

Eine Wendung in einem Thriller ist gelungen, wenn sie an einer Stelle erfolgt, an der der Rezipient am wenigsten mit ihr rechnet und sich trotzdem genau passend in die Geschichte fügt.
Eine Figur in einem Roman ist interessant, wenn sie weder dezidiert gut noch böse, sondern charakterlich so nuanciert ist, dass sie aus unterschiedlichen Blickwinkeln unterschiedlich auftritt.

"Die Gerechte" bietet genau das, nämlich gelungene Wendungen, die einiges an Mut vom Autor erfordern und interessante Figuren, denen man umso weniger persönlich begegnen möchte, je näher man sie kennenlernt.
In einer Flughafenbar trifft Ted Seversen auf eine attraktive Rothaarige und klagt ihr sein Leid über seine zu Seitensprüngen neigende Gattin. Nach einigen Getränken schmieden die beiden den Plan, die Untreue zu ermorden ...

Was vorerst nach einer geradlinigen Handlung klingt, erweist sich nach und nach als kunstvoll konstruiertes erzählerisches Geflecht, in dem die einzelnen Figuren auf mehr als eine Art miteinander in Beziehung stehen. Dass die Begegnung am Flughafen nicht zufällig ist, das ist noch die harmloseste der zahlreichen Überraschungen des Romans. Schließlich wird auch die Entscheidung, welcher Figur man seine Sympathie schenken soll, zum moralischen Dilemma, und auf beiden Seiten des Buchdeckels gibt es keine richtigen Entscheidungen mehr ...

3. Brent Weeks: Schwarzes Prisma (Die Licht-Saga 1)

gesprochen von: Bodo Primus | Dauer: 25h 47min

Den Kern des Romans bildet die Idee, die sieben Farben des (sichtbaren) Spektrums in Materie umzuwandeln. Magisch Begabte können dafür eine oder (selten) mehrere Farben benutzen. In jeder Generation gibt es genau einen Menschen, der in der Lage ist, aus reinem Licht alle Farben zu wandeln. Er ist das sogenannte Prisma, das religiös verehrt wird. Die Geschichte folgt nun Kip, einem ungeschickten, dicklichen Jugendlichen, der sich als unehelicher Sohn des Prismas entpuppt und der von der Absicht getrieben wird, den gewaltsamen Tod seiner Mutter zu rächen.

Die Qualität eines Fantasy-Romans bemisst sich unter anderem daran, wie detailliert der Autor seine Welt gestaltet ("Worldbuilding" wird dieser Vorgang genannt) und wie er dem Leser von einm kleinen initialen Ausschnitt den Gesamtkontext erschließt. Brent Weeks' akribisch ausgearbeitetes Konzept fügt sich Stück für Stück zu einer faszinierenden Geschichte mit ihren gewöhnlichen, alltäglichen und außergewöhnlichen, ruhmreichen Momenten, aus der man nicht mehr auftauchen möchte ... und die zum Glück noch mehrere Fortsetzungen bereithält. 

2. Don Winslow: Corruption

gesprochen von: Dietmar Wunder | Dauer: 13h 20min

Denny Malone sitzt im Gefängnis und wartet auf seinen Prozess.
Er ist tief gefallen, und es gibt eine Menge einflussreicher Leute, die er mit in den Abgrund reißen könnte.

Als Leiter der "Force", einer Spezialeinheit der New Yorker Polizei war er so etwas wie der ungekrönte König der Straße, entschlossen, nicht wählerisch bei seinen Mitteln, unerbittlich gegenüber dem Verbrechen. Nur, dass die Grenze zwischen Recht und Unrecht, zwischen legitimen Verhörmethoden und Polizeibrutalität, zwischen Kuhhandel und Kompetenzüberschreitung irgendwann nicht mehr klar erkennbar war. Am Anfang wird einem jungen ehrgeizigen Polizisten erklärt, dass es im Interesse seiner eigenen Familie ist, wenn er im richtigen Moment in die andere Richtung schaut, am Ende betreibt er jene üblen Geschäfte, die er sich geschworen hat zu bekämpfen und fragt sich verzweifelt, wie es so weit kommen konnte.
Dreckig, brutal, abstoßend zeichnet Don Winslow jenen Weg voller fauler Kompromisse, die eine integre Persönlichkeit bis ins Mark korrumpieren, in zotigen Dialogen und Revierverteidigungsritualen, die direkt aus den Departments und U-Bahn-Stationen stammen könnten. Am Anfang steht ein Cop mit den besten Absichten. Am Ende brennt die Stadt. 
  

1. Andreas Pflüger: Niemals

gesprochen von: Nina Kunzendorf | Dauer: 13h 08min

In meiner kürzlich im Bücherkaffee erschienenen Rezension zu diesem Titel ist etwas ausführlicher dargelegt, warum "Niemals" für mich das Hörbuch der letzten Zeit schlechthin und jede Minute ein Genuss ist. Jenny Aaron, bekannt aus "Endgültig" ergreift die Gelegenheit zu einem Rachefeldzug gegen den Mörder ihres Vaters. Doch was rechtfertigt diese Rache? Wie weit darf sie gehen - und wird sie es erkennen, wenn es zu weit ist?

An dieser Frage reifen Figur und Sprecherin, währen knallharte Action und eine auf Selbsterkenntnis ausgerichtete Kampfphilosophie einander abwechseln. Jenny ist in einem Biotop beheimatet, in der man ohne die Persönlichkeit eines Alpha-Mannes nicht überlebt ... vielleicht ist sie deshalb von jenen Mutterinstinkten überwältigt, die ihr Recht einfordern. Andreas Pflüger übersetzt die Wahrnehmung seiner Hauptfigur in eine visuelle Sprache, die die Grenzen zwischen Hörbuch, gedrucktem Buch und Film verschwimmen lassen. 

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* GEWINNSPIEL BEENDET *


[klappentext start]Wenn ihr das Jahr 2017 in ähnlicher Weise - also halb lesend, halb lauschend verbracht habt, erzählt mir von eurem Lieblingstitel der letzten Zeit, ich freue mich über neue Ideen. Unter allen inspirierenden Kommentaren wird ein Titel von Andreas Pflügers "NIEMALS" verlost.[klappentext ende]

Mitmachen könnt ihr bis einschließlich Samstag den 24.02.2018 um 23.59 Uhr. Die Gewinner*In werden dann am Sonntag, den 25.02.1018 hier in diesem Beitrag bekannt gegeben. Viel Glück!

Gewonnen hat: Sebastian // Büchermonster

Herzlichen Glückwunsch! Bitte sende uns Deine Adresse an buecherkaffee@yahoo.de, dann begibt sich das Hörbuch auf die Reise zu Dir. 






Freudiges Weiterlesen ... und -hören!

© Wolfgang Brandner

Das Kleingedruckte zum Gewinnspiel: 


[wolfgang] 

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