Es ist Nacht, ein junger Mann sitzt am Tisch und schreibt. Er hat Angst. Davor, sich entscheiden zu müssen. Für eine Frau, einen Freundeskreis, einen Urlaubsort im Jahr. Er hat Angst, dass ihm das Gefühl abhandenkommt. Dass er erwachsen wird. Doch ein Bekannter hat ihm ein Angebot gemacht: Sieben Mal um sieben Uhr soll er einer der sieben Todsünden begegnen. Er muss gierig, hochmütig und wollüstig sein, sich von einem Hochhaus stürzen, den Glauben und jedes Maß verlieren. Sieben Nächte ist ein Streifzug durch die Stadt, eine Reifeprüfung, die vor zu viel Reife schützen soll, ein letztes Aufbäumen im Windschatten der Jugend. [© Text und Cover:
Blumenbar Verlag]
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So wie dem namenlosen Protagonisten des Buchs geht es vielen: er spürt, dass er in ein Leben driftet, das fremdgesteuert, vorberechnet und geradezu bedeutungslos sein wird. Er hat Angst davor, so zu werden, wie alle anderen: unauffällig, immer den bequemsten Wege gehend, im Alltagstrott festgefahren. Er ist noch nicht bereit für Haus, Familie und Festanstellung. Dabei spart er aber nicht an Selbstkritik, verschiebt er den Zeitpunkt, mutig zu sein, doch immer wieder auf später. Aber er merkt, dass es immer unwahrscheinlicher wird, dass dieser Tag noch kommen wird.
„Mein Inneres ist bedroht durch den farblosen Rahmen, der auf mich wartet. Er hängt schon rechts oben an der weißen Wand. Bereit, mich einzupassen, mein Leben still zu halten." (S. 13)
Er ist eine Stimme einer Generation, die es scheinbar nicht gelernt hat, für etwas zu kämpfen. Kein Krieg, kein Wiederaufbau und keine Revolution gibt den Weg vor. Er kann viel und er hat viel, aber wofür setzt er das ein? Dass jemand, der von Geburt an satt und verwöhnt ist, über so viel jammern kann, scheint absurd. Die psychologischen und philosophischen Ansätze, die Simon Strauss anführt, sind allerdings sehr treffend beobachtet. In den sieben Kapiteln nutzt er jeweils eine Todsünde als Schablone, die er ebenso spitzzüngig wie spitzfindig an das Leben eines Dreißigjährigen anlegt. Besonders amüsant fand ich seine Aufzählungen, die das gut wiedergeben.
„Ich habe Angst vor Eheverträgen und stickiger Konferenzluft. Angst vor Gleittagen und dem ersten vorgetäuschten Lächeln. Angst vor dem Ende des freien Lebens, vor Festanstellung, Rentenversicherung, Spa-Wochenenden im Mai. Angst vor dem Lebenslauf, vielleicht." (S. 15)
Es kommt nicht so häufig vor, dass ein Buchcover so gut zum Inhalt passt wie hier. Dieser leicht irre Blick, der aber voller Energie steckt. So stelle ich mir den Helden vor, und so empfinde ich auch den Inhalt. Enthusiastisch und gehaltvoll, manchmal etwas verrückt. Simon Strauss formuliert das mit präzise gesetzten Worten und Sätzen. Seine starke Ausdrucksweise macht die Gedankengänge des Protagonisten sehr greifbar.
Persönliches Fazit
„Sieben Nächte" ist ein Aufruf zu mehr Mut, um eigene Wege zu gehen. Ein Buch das dazu einlädt, die Gedanken zu reflektieren und mitzuphilosophieren. Nicht zuletzt die sprachliche Präzision konnte mich dabei überzeugen.
© Rezension: 2017, Marcus Kufner
Sieben Nächte | Simon Strauss | Blumenbar Verlag
2017, gebunden, 144 Seiten, ISBN: 9783351050412
[marcus]
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