Im Jahr 2044 ist die Welt ein hässlicher Ort: Die Erdölvorräte sind aufgebraucht, ein Großteil der Bevölkerung lebt in Armut. Einziger Lichtblick ist die OASIS, eine virtuelle Ersatzwelt, in der man leben, arbeiten, zur Schule gehen und spielen kann. Die OASIS ist ein ganzes Universum, es gibt Tausende von Welten, von denen jede ebenso einzigartig wie phantasievoll ist. Und sie hat ein Geheimnis.
Gleich vorweg: Wer nicht in den 1980er-Jahren seine Jugend oder zumindest seine Kindheit verbracht hat, wird sich mit "Ready Player One" langweilen und den Roman wohl als unterhaltsam aber belanglos einstufen. Denn "Ready Player One" ist in erster Linie eines: eine Hommage an die Populärkultur der genannten Dekade.
Wie um alle Leser, die sich ob des Klappentextes hochtechnisierte Science-Fiction oder eine gesellschaftskritische Dystopie erwarten, vorzuwarnen, sind die ersten Kapitel prall gefüllt mit Namen von Filmen, Konsolenspielen und Artefakten aus der (verklärten) Erinnerung. Star Wars ist ebenso prominent vertreten wie "Dungeons & Dragons", "Pac Man", die "Goonies" und der gute alte VHS-Recorder. Die zentralen Figuren fachsimpeln äußerst emotional über die "Highlander"-Filme, die Ewoks und längst vergessene Pen & Paper-Rollenspiele.
Eine Hommage an die Populärkultur der 1980er-Jahre.
Wie aber motiviert man die Bevölkerung einer in Trümmern liegenden Welt des Jahres 2044 - die gewiß von drängenderen Problemen geplagt wird - dazu, sich bis hin zur Selbstaufgabe mit einem vergangenen Jahrzehnt zu beschäftigen? Dazu bedient sich der Autor, 1972 geboren und somit selbst ein Kind dieser Zeit, einer interessanten Wendung. Die Online-Welt OASIS stellt für jene, die sich in ihr bewegen, einen vollständigen Ersatz der realen dar. Wie in "Second Life" (zur Entstehungszeit des Romans 2011 noch populärer als heute) kreiert der Benutzer seine Spielfigur, den Avatar, und kann sich zwischen Planeten, Städten, Landschaften frei bewegen, kann dort die Schule besuchen, Geschäfte abschließen, sich verlieben oder mit anderen Spielern gegen Monster kämpfen. Der Name OASIS gewinnt somit eine zweite Bedeutung: Wo die reale Welt durch ökologische und ökonomische Katastrophen in Trümmern liegt, flüchten die Menschen sich in eine Oase. Deren Schöpfer, der verstorbene James Halliday, hat nun in seinem Testament verfügt, daß jener Spieler, der eine Serie von Aufgaben löst und einen versteckten Schatz (ein sogenanntes Easter Egg) findet, sein gesamtes, unvorstellbar großes Vermögen erben wird. Der betreffende Betrag würde es dem Gewinner erlauben, auch in der realen Welt fundamentale gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen, weshalb sich nicht nur zahlreiche Einzelpersonen, sondern auch eine nach Allmacht strebende Firma namens Innovative Online Industries auf die Suche begeben. Da nun Halliday besessen von den 1980er-Jahren war, gehört umfangreiches Wissen darüber ebenso zur Grundausstattung der suchenden Jäger wie hochgerüstete Spielfiguren.
In einer Dramaturgie, die bestimmt nicht zufällig an alte Geschichten erinnert, treten somit unerschrockene Helden gegen einen mit schier unerschöpflichen Ressourcen ausgestatteten Konzern an, der auch vor Mord in der realen Welt nicht zurückschreckt. Auf dem Spiel steht zwar nicht die Weltherrschaft, aber etwas, das ihr sehr nahe kommt. Auch in der Figurenzeichnung orientiert sich der Autor an den betreffenden Jahren. Hauptfigur Wade (dessen Spielfigur übrigens den Namen Parzival trägt) und seine Freunde weisen in etwa so viel Tiefgang und charakterliche Entwicklung wie ihre digitalen Abbilder auf. Doch ebenso wie in den Geschichten, die zuhauf referenziert werden wie Ghostbusters, War Games oder Indiana Jones liegt das erzählerische Hauptaugenmerk deutlich erkennbar nicht auf komplexen, ineinander verwobenen Handlungssträngen, sondern auf klaren Strukturen, die keine Aufmerksamkeit von der knallbunten Achterbahnfahrt durch die Erinnerung ablenken. Ernest Cline will in erster Linie unterhalten und führt seine Leser dazu in ein typisches Kinderzimmer mit Postern, Taschenbüchern, Comics und einem Home-Computer. Zuweilen leidet darunter auch die innere Logik. Die Hauptfigur Wade verfügt beispielsweise über ein enzyklopädisches Wissen und meisterhafte Fertigkeiten in nahezu allen Automatenspielen, die sich anzueignen in seinem jugendlichen Alter von 18 Jahren nur schwer vorstellbar sind. Auch die Kosten, die durch die aufwendige Suche nach dem gralsartigen Osterei für die abgrundtief böse Organisation IOI anfallen, dürften wohl durch den zu erwartenden Gewinn nur schwer zu decken sein. (Zum Leidwesen des Rezensenten wird außerdem eine persönliche Lieblingsfigur aus dieser Zeit, MacGyver, kein einziges Mal erwähnt).
Letztendlich sind es aber die zahlreichen kleinen Anspielungen im Roman, die nicht gesondert erklärt werden, die dem Leser jedes Mal ein kleines Glücksgefühl bescheren, wenn er sie erkennt und die über genannte Ungereimtheiten hinwegsehen lassen. Wade fürchtet etwa, den Kobayashi Maru-Test absolvieren zu müssen. Als Computerinterface für seinen vollautomatisierten Haushalt stünde die Stimme von Majel Barrett zur Verfügung. Zur Wahl in den OASIS-Nutzerrat stellen sich Spieler mit den Namen Wil Wheaton und Cory Doctorow. Aech, Wades bester Freund imitiert die Grammatik von Jar Jar Binks oder artikuliert seine Bewunderung, indem er ihm "Eier aus purem Adamantium" zuerkennt. Die Passage, in der Wade die Hierarchie von IOI mit dem Decknamen Harry Tuttle unterwandert, liest sich wie eine modernisierte Version von "Das Geheimnis meines Erfolges". Letztendlich ist Rache ein Gericht, das am besten kalt serviert wird.
Persönliches Fazit
Ready Player One ist eine Freifahrt im DeLorean zurück an den Sehnsuchtsort der Kindheit, zu "Trio mit vier Fäusten" und Pacman, "Knight Rider" und sogar Falco.
© Rezension: 2017, Wolfgang Brandner
Ready Player One | Ernest Cline | Fischer TOR
Aus dem Amerikanischen von Sara & Hannes Riffel
2017, Taschenbuch, 544 Seiten, ISBN: 978-3596296590
[wolfgang]