Rezension: Geheimnis in Weiss | Joseph Jefferson Farjeon

»Vier Morde an einem halben Tag! So verdient man sich seine Weihnachtsgans.«


An Heiligabend bleibt ein Zug im Schneetreiben in der Nähe des Dorfes Hemmersby stecken. Mehrere Passagiere suchen Zuflucht in einem verlassenen Landhaus. Die Tür ist offen, der Kamin brennt und der Tisch ist zum Tee gedeckt, doch niemand scheint da zu sein. Aufeinander angewiesen, versuchen die Reisenden das Geheimnis des leeren Hauses zu lüften – als ein Mord passiert.
[Text & Cover: © Klett Cotta]

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»Geheimnis in Weiß« ist ein von der British Library wiederentdeckter Kriminal-Klassiker, der schon 1937 unter dem Originaltitel „Mystery in White – a Christmas Crime Story« erschien, aber erst 2016 erstmalig in deutscher Übersetzung vorliegt. Der bekannte Schriftsteller Joseph Jefferson Farjeon (1883–1955) verfasste mehr als sechzig Krimis und Thriller im Goldenen Zeitalter der britischen Kriminalliteratur. Er schrieb u.a. auch das Bühnenstück Nummer siebzehn , dass später von Alfred Hitchcock verfilmt wurde. [Quelle: Wikipedia]



Ich habe schon immer ein Faible für klassische Krimis gehegt, Agatha Christie zum Beispiel konnte mich in Form von Buch und Film begeistern. Ich mag dieses Rätselraten, dieses kleine psychologische Spiel der (Hobby)Detektive, die der Polizei meist einen Schritt voraus sind mit ihrem feinen Spürsinn, das Verknüpfen der vielen Fäden. Wer ist der Mörder? Je verzwickter es ist, je mehr Personen infrage kommen könnten - desto mehr macht es Spaß und ich überlege selbst während des Lesens fieberhaft mit. Da braucht es keine Action, da braucht es schlichtweg ein sehr gutes Setting und eine Person, die die Fäden ein wenig in der Hand hat wie zum Beispiel die gute Miss Marple oder Hercule Poirot. 

Auch in „Geheimnis in Weiss“ gibt es eine solche Person: Dr. Edward Maltby, 60, Mit­glied der König­lich-Para­psycho­logischen Gesell­schaft. Er ist einer der im Zug gestrandeten Personen, der sich nach einiger Zeit des Wartens als Erster aufmacht und den Zug verlässt, der mitten im tief verschneiten Wald für unbestimmte Zeit zum Halten kam.  Schon gleich zu Beginn hatte ich das Gefühl, dass er wohl derjenige sein wird, der die Zügel der Geschichte in die Hand nimmt. 

Doch er ist nicht der einzige Passagier, der den gestrandeten Zug verlässt. Ihm folgen nach einiger Zeit die Geschwister David und Lydia Carrington,  die junge Revue­tänzerin Jessie Noyes und der schüchterne Buchhalter Robert Thomson. Alle hatten sie ihre Pläne für den Weihnachtsabend, das anhaltende Winterwetter machte ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung.



Nach einer Weile treffen Sie auf ein Landhaus mitten im Wald. Die Türe lässt sich öffnen, jedoch scheint keiner zuhause zu sein. Das erscheint sehr verwunderlich, denn das Kaminfeuer brennt, der Vorratsraum ist gut gefüllt, der Tisch ist gedeckt und sogar das Teewasser im Kessel ist heiss. Wo sind die Bewohner des Hauses bei diesem fürchterlichen Wetter geblieben? Sie können noch nicht lange weg sein. Ein Küchenmesser liegt auf dem Küchenboden und vom Dachboden erklang kurz ein komisches Geräusch … Was ist hier passiert? 

Die euphorische Freude über das in der Not entdeckte Haus wird von einem leichten Grusel abgelöst und Ratlosigkeit macht ich breit, was man denn nun unternehmen solle. Mr. Maltby übernimmt ein wenig das Ruder und die zusammengewürfelte Gruppe beschliesst, im Haus zu bleiben, bis der Schneefall aufhört. 

Allerdings sind sie nicht die einzigen Gäste. Ihre Gruppe wächst um einen grob­schläch­tigen Fremden namens Smith mit breitem Cockney-Dialekt, der aus dem Nirgendwo aufzutauchen schien und ein weiterer Passagier des Zuges, Mr Hopkins. Beide tragen mit ihrer unsympathischen Art nicht sehr zu einer besseren Stimmung bei und man behält sich gegenseitig im Auge. 

Joseph Jefferson Farjeon hat hier ein hervorragendes Setting für seinen Krimi geschaffen. Eine Gruppe von Personen unterschiedlichster Charaktere, die sich vorher noch nie begegneten, ein einsames und sehr mysteriöses Haus im Wald, durch starken Schneefall vollkommen abgeschnitten von der Aussenwelt - die Gruppe muss sich zwangsläufig mit der Situation auseinandersetzen, zumal einige Geschehnisse und Entdeckungen dafür sorgen. Denn dass hier mindestens ein Mord geschehen ist, dass ist mittlerweile allen klar. Aber WER ist der Mörder und vor allem: WO ist er nun? 

Persönliches Fazit

Ein atmosphärischer, mit feinem britischen Humor durchzogener klassischer Krimi, der auf subtiler psychologischer Spannung aufbaut. Eine hervorragende Lektüre für die kalte Winterzeit, wenn es draussen so richtig kalt und frostig ist. Da das Buch im Original schon 1937 erschien, liegt über diesem Krimi heute zudem noch ein sehr passender nostalgischer Charme. Eine klare Empfehlung für alle Freunde des gepflegten Krimis. 

© Rezension: 2016, Alexandra Zylenas

Geheimnis in Weiss | Joseph Jefferson Farjeon | Klett Cotta
Übersetzung aus dem Englischen von Eike Schönfeld
2016, 282 Seiten, gebunden, bedruckter Leinenband, Lesebändchen ISBN 978-3-608-96102-7




[alexandra]

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