Stefan Krauths Buch erzählt vom Verlust zweier geliebter Menschen, von stiller Trauer und der Unmöglichkeit des Abschieds. Eindringlich und mit nüchterner Poesie schreibt er gegen den Schmerz und die Sprachlosigkeit an.
Emil ist ein gutes Jahr alt, als Stefan Krauth mit ihm Berlin verlässt, um den «stummen, das Fragen nur mühsam zurückhaltenden Blicken zu entkommen». Blicke, die nach dem plötzlichen Tod Cecilias der Leerstelle in der kleinen Familie, dem Kind ohne Mutter, dem Mann ohne Frau gelten. Vater und Sohn verbringen den Herbst in New York, bis es sie weiterzieht. Mit Wintereinbruch fahren sie die Ostküste herunter Richtung Südstaaten – gefolgt von einem Eissturm, der ihnen nachzueilen scheint. Schließlich fliegen sie nach Kolumbien. Gemeinsam mit Lélia, einer Freundin, verbringen sie einige Zeit in einem abgelegenen Dorf in den Anden und finden erstmals so etwas wie Ruhe. Doch dann, genau ein Jahr nach Cecilias Tod, wird Emil krank, und einige Wochen später, zurück in Berlin, folgt die erschütternde Diagnose. [© Text und Bild:
Rowohlt Verlag]
[mk] Das Schicksal trifft Stefan Krauth hart: erst stirbt seine Frau Cecilia viel zu früh und völlig überraschend, und gut ein Jahr später sein gerade mal 18 Monate alter Sohn Emil.
Sein autobiografisches Buch beginnt mit Cecilias Tod. Sachlich, fast wie von einem neutralen Beobachter kommen mir die Schilderungen vor. Er ist weit davon entfernt, sentimental auf die Tränendrüse zu drücken. Trotzdem oder gerade deshalb wirken die Zeilen auf mich nachdrücklich.
Im größten Teil des Buchs erzählt er von der Reise mit Emil, die die beiden einige Zeit später antreten. Er versucht damit, der meist stummen Frage nach Emils Mutter zu entkommen. Das gelingt eigentlich erst, als sie mit der kolumbianischen Freundin unterwegs sind. Dass die meisten Leute sie für Emils Mutter halten, lassen sie meist unkorrigiert.
„Mich überkam eine Ahnung von Frieden, von gelassenem Glück mit einem Kind, wie ich es ersehnt hatte nach Cecilias Tod."
(S. 101)
Als Emil sich übergeben muss, denken sie sich noch nichts dabei, kann ja vorkommen bei einem Kind in seinem Alter. Als es sich jedoch immer öfter wiederholt und nicht vorbeigeht, suchen sie einen Arzt auf. Welche Schmerzen Emil in der folgenden Zeit ertragen musste, kann man nur erahnen. Eine Tortur, der man als Erwachsener hilflos daneben steht. Wo liegt der Sinn darin, dass ein kleines Kind so leiden und sterben muss?
Stefan Krauth hält sich was ihn selbst betrifft sehr zurück. Er bemerkt zwar, dass er sich von Cecilia allein gelassen fühlt, es ist im Buch aber kein Wort des Jammerns oder der Verzweiflung zu finden. Anstatt sich der Trauer um Cecilia zu ergeben kümmert er sich bemerkenswert um Emil.
Ich finde es wunderbar, wie der Autor mit der Sprache umgeht. Mal klar und sachlich, mal poetisch trifft er den richtigen Ton.
„Lélia lag neben uns im Gras auf dem Rücken. 'Stellst du dir manchmal Berlin vor, wie es jetzt ist, im Januar?', fragte sie mich. - 'Ja. Manchmal sehe ich die Wohnung, kalt, dunkel, verlassen und mit all der Geschichte beladen, so als würde das Vergangene wie ein Geist auf dem Sofa in der leeren Wohnung sitzen und warten.'"
S. 107)
Emils Schicksal hat mich tief bewegt. Unsentimental aber eindringlich erzählt Stefan Krauth von der Reise mit seinem Sohn. Mit seinem Buch hat er ein wahrlich würdiges Andenken an Cecilia und Emil geschaffen.
© Rezension: 2016, Marcus Kufner
22.04.2016, gebunden, 224 Seiten, ISBN: 9783498034504
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