Längst ist das lebenslustige jüdische Mädchen, das sich
zwei Jahre lang in der Prinsengracht zu Amsterdam vor den Nazis verstecken
konnte und dort Tagebuch führte, zu einer Ikone erstarrt und geistert als
Lernstoff durch die Klassenzimmer Deutschlands. Waldtraut Lewin wagt es, das
Denkmal von seinem Sockel und Anne in unsere Welt zu holen, um sie besser
kennenzulernen. Bei ihrer fiktiven Begegnung lässt sie Anne staunen über das,
was sich in den siebzig Jahren seit ihrem Tod verändert hat. Und erzählt ihr
vom Staat Israel oder vom neuen Deutschland, in dem Juden leben dürfen und
Menschen gegen Rechtsradikalismus auf die Straße gehen. Zusammen wagen sie den
Blick von heute auf das Gestern und das Morgen. (© Text und Bild:
cbj Verlag)
Der Titel des Buches und der Klappentext versprechen
interessant,zu werden. Eine geschichtliche Reise mit Anne Frank. Ja, wie hätte
sie die heutige Zeit wohl erlebt? Wäre sie erschrocken gewesen oder dankbar und gleichzeitig in manchen Hass, der
weiter existiert in Erinnerungen verfallen? Diese Fragen stellte ich mir auch
vor Jahren, als ich "Die Tagebücher der Anne Frank" las.
Waltraut Lewin ist für mich eine bekannte Autorin, die
ich schätze. In ihrem neuen Buch wagt sie ein großes Gedankenexperiment mit
Anne Frank. Die Protagonistin neben Anne Frank ist eine jüdische
Ich-Erzählerin, die sich in dem Experiment dann Corelli nennt. Sie geht in das
Haus von Anne Frank und trifft sie dort. Anne Frank erwacht zum Leben mit ihren
bordeauxfarbenden Schuhen an den Füßen. Anne Frank erzählt dann von den
Geschehnissen, als sie entdeckt wurde. Etwas später gehen beide hinaus in die
Welt und entdecken diese.
Sicher bis dahin schon sehr spannend, aber ich werde das
Gefühl nicht los, dass mir dies zu viel ist, aber ich kann es noch nicht
richtig äußern. Vielleicht ist es das
Herausreißen einer geschichtlichen Ikone, die nach ihrem Tod durch ihre
Tagebücher so viel gegen das Vergessen getan hat?
Ich lese weiter und Anne Frank sieht die moderne Welt.
Gegenwärtige Themen wie der Kampf gegen den Rechtsextremismus begegnen ihr.
Juden dürfen frei leben und doch gibt es viele Konflikte in der Welt.
Beschrieben wird auch der andauernde Konflikt zwischen
Israel und Palästina. Aber hier fehlt mir einiges an faktischem Wissen. Ein
Konflikt, der sehr weit in die Geschichte reicht und an dem beide Seiten
verlieren, wie finde ich. Gerade dieses Thema ist aktuell stets präsent und
sollte, da es ein Jugendbuch ist auch gerade für diese zugänglich und verständnisvoller
gemacht werden.
Anne Frank reißt mit Corelli und Freunden in diese
Konfliktländer. Gerade hier wird deutlich, wie ausführlich die Protagonistin
beschrieben wird.
In einer detaillierten Beschreibung ist zu lesen, wie sie
überall mit hingeht, lebt, denkt, fühlt, Gestiken vollführt und an der Stelle
weiß ich endlich, was es ist, dass mir zu viel ist und mir ein komisches Gefühl
macht. Es ist nicht nur ein Gedankenexperiment, sondern Anne Frank wird
herausgerissen, bekommt Stimme, Ton, Charakter, aber niemand kann wissen, wie
sie wirklich war und in solchen Momenten gefühlt hätte.
Anne Franks Zeilen las ich oft, schrieb etwas darüber,
erinnerte daran und gerade deswegen finde ich, dass es genügt hätte,
gedankenvoll durch eine Stadt zu gehen oder vielleicht auch sogar
weiterzureisen und an Anne Frank zu gedenken und wie hätte sie vielleicht in
der Gegenwart über verschiedene Themen gedacht. Das wäre realistisch und nicht
eine, wie ich finde Anmaßung, wie jemand sein könnte. Anne Frank wollte etwas
hinterlassen, aber sie kann zu diesem Buch nichts sagen. Vielleicht war sie
ganz anders, stärker.
Das Buch ist aber sehr gut geschrieben und bringt viele
Themen auf, die aktuell sind. Somit ist es auch sehr interessant.
Anne Frank wollte fortleben, auch nach ihrem Tod und das
tut sie. Sie tut es auch nach 70 Jahren ihres Todes. Weltweit gedenken
unzählige Menschen an sie, ihre Zeilen wurden in so vielen Sprachen übersetzt,
im Schulunterricht ist sie ein fester Bestandteil und es gibt viele Bücher und
hoffentlich noch weitere, die an ihre und andere, die an diesen grausamen Teil
der Geschichte erinnern, aber vielleicht und dies ist nur meine Meinung, geht
es einen Schritt zu weit nur durch Literatur über sie, sie in einem Buch zu
komplett zu formen.
Ein gut geschriebenes Buch, dessen Ansatz sicher gut ist,
aber dann über das eigentliche und geschichtliche Wissen aus Tagebüchern,
Notizen, Artikel, weiteren Büchern hinausschießt. Für einige aber sicher ein
Buch, dass Anne Frank im Verständnis näher bringt.
© Rezension:2015, Sanni
Ab 12 Jahren
Erscheinung: Februar 2015
Gebunden: 224 Seiten,
ISBN: 978-3-570-17108-0
Labels: ab 12 Jahren, cbt/cbj Verlag Jugendbuch, gegen das Vergessen, Jugendbuch, Rezension