Rezension || Die stille Frau | A.S.A. Harrison

http://www.berlinverlag.de/buecher/die-stille-frau-isbn-978-3-8270-1207-4
Er lebt ein Doppelleben. Sie plant minutiös ihre Rache. Denn sie hat nichts mehr zu verlieren

In Jodis und Todds Ehe kriselt es. Viel steht auf dem Spiel, auch das angenehme Leben, das sich die beiden aufgebaut haben in ihrem luxuriösen Apartment mit Seeblick in Chicago. Doch ihre Beziehung rast geradewegs auf einen mörderischen Abgrund zu: Er, der systematische Betrüger und sie, die stillschweigende Verletzte. Die schwindelerregend fesselnde Geschichte einer verhängnisvollen Partnerschaft, die in den USA zu einem großen Überraschungserfolg wurde. 
Jodi ist als Psychotherapeutin tätig und Todd hat sich einen Namen als Bauunternehmer gemacht. Die beiden leben schon viele Jahre als unverheiratetes Paar zusammen und alles scheint seinen geregelten Gang zu gehen. Zusammen bewohnen sie ein luxuriöses Apartment in Chicago und es mangelt ihnen soweit an nichts. Nur Kinder haben sie keine - ein Thema dass doch öfter auf den Tisch kommt, denn Todd hätte sehr gerne Nachwuchs - einen kleinen Erben, dem er seine DNA weitergeben kann. Jodi jedoch scheut Bindungen dieser Art. Keine Ehe, keine Kinder - dies gibt ihr ein Stück Freiheitsgefühl innerhalb der sonst "gut funktionierenden" Beziehung. Jodi ahnt jedoch nicht, dass genau dieses Stückchen Freiheit, auf dem sie so beharrt, einmal zu ihrem Verhängnis werden würde...

Der Schein, den sie nach außen wahren, trügt. Todd kann den weiblichen Reizen nicht widerstehen und entwickelt sich zu einem notorischen Fremdgeher. Dies bleibt auch Jodi nicht verborgen. Sie übersieht dies jedoch geflissentlich, fügt sie sich diesem Schicksal und sorgt stattdessen dafür, dass Todd sich wohl fühlt, wenn er nach Hause kommt. Sie bekocht ihn aufs Feinste, sorgt für die Routine und bietet ihm eine Art Ruhepol. Er schätzt ihre Ruhe, die sie ausstrahlt. 

Ihr Plan geht auf - bis die junge, quirlige Studentin Natasha auf der Bildfläche erscheint. Todd verliebt sich Hals über Kopf und es gehen Veränderungen in ihm vor. Aus einem kleinen Techtelmechtel entwickelt sich immer mehr und als Natasha ihm Neuigkeiten offenbart, muss Todd eine Entscheidung treffen. Jodi nimmt diese Entscheidung gefasst auf, doch hinter der Fassade der stillen und zutiefst verletzen Frau brodelt es gefährlich...

"Die stille Frau" ist ein Roman, der - seinem Titel entsprechend - äußerst still daher kommt. Wir erleben die Entwicklung einer Beziehung, die über viele Jahre dem Alltagstrott zum Opfer fiel. Routine, unausgesprochene Dinge, fehlende Gespräche. Das alles funktioniert zwar, aber als das Leben plötzlich einen Ausbruch aus diesem Alltag anbietet, greift Todd fast ohne Zögern zu. Lachen, Spaß haben, sich plötzlich wieder jünger fühlen...all das löst dieses Gefühl aus, etwas verpasst zu haben, plötzlich etwas nachholen zu müssen. Natasha tut seinem männlichen Ego gut. 

Immer abwechselnd erhalten wir einen Einblick in das Psychogramm der Protagonisten Jodi und Todd. Die jeweiligen Kapitel werden immer mit "Sie" und "Er" betitelt und schaffen somit auch Distanziertheit. Die klare, schnörkellose Sprache unterstreicht den "Beziehungsstudien-Flair" noch zusätzlich. Beide Charaktere erscheinen eher unsympathisch und oberflächlich, denn Äußerlichkeiten und Statussymbole erscheinen ihnen am wichtigsten - aber nach und nach bekommt man immer tieferen Einblick in ihre Gedanken und Emotionen, die sie nie nach außen tragen. Was bewegt sie? Warum sind sie so, wie sie sind? Was prägte sie im Leben? Was bildete ihren Charakter? Warum schotten sich beide auf so ganz eigene Weise ab? Warum sind sie, jeder auf seine Weise, so unfähig, über ihre Gefühle zu reden? All dem kommen wir nach und nach auf die Spur, da Harrison immer wieder einen Blick in die Vergangenheit beider wagt und zudem auch Einblick in Jodies eigene psychische Aufarbeitung gewährt, die in Form von Dialogen mit ihrem Psychologen dargestellt wird

Jodies Entwicklung, das Schmieden ihrer persönlichen Rache, zeigt die eingangs erwähnten Thriller-Elemente auf. Das Verlieren der Kontrolle über sie Dinge in ihrem unmittelbaren Umfeld öffnen eine Tür in ihr für böse Gedanken, denen auch Taten folgen. Spannend würde ich das Geschehen jedoch nicht bezeichnen. Zu vorhersehbar, mit dem kleinen Versuch einer überraschenden Wendung, die man aber ebenfalls schon vorab erahnen kann. Da ich aufgrund der Werbung rund um dieses Buch etwas völlig anderes erwartet hatte, ertappte ich mich zuletzt dabei, ganze Sätze zu überspringen und überlegte kurzfristig auch, das Buch abzubrechen. 


Persönliches Fazit

Ein psychologisch tiefgründiges und auch interessantes Werk über den schrittweisen Zerfall einer dem Alltagstrott verfallenen Beziehung, an der von beiden Seiten her nicht gearbeitet wurde, die einfach hingenommen wurde. Kühl und distanziert kommt der Roman daher und erscheint dabei eher als ein facettenreiches Psychogramm, als Beziehungsstudie. Die Auseinandersetzung mit dem Thema ist hervorragend gelungen, keine Frage. Aber dennoch konnte ich nicht recht warm werden mit dem Roman, mit perönlich fehlte schlichtweg die fesselnde Spannung, die mir vorab durch den Klappentext suggeriert wurde.

© Rezension: 2014, Alexandra Zylenas

Die stille Frau / A.S.A. Harrison / erschienen im Berlin Verlag
Mai 2014 / 384 Seiten / Klappenbroschur
ISBN13: 978-3-8270-1207-4

[alexandra]

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