ICH WILL EUCH NICHTS VORMACHEN. Was ich hier erzähle, ist wahr. Echt. Ich, Richard Casey - auch bekannt als "der Typ, der im Sterben liegt, obwohl er noch so jung ist" -, lebe zurzeit wirklich in einem Hospiz, von dem ich erzählen will. Hilltop Hospital, dritter Stock, Hudson, New York." ~ 1. Satz
Ein kleiner Einblick in den Klappentext:
Eigentlich ist der 17-jährige Richard ein ganz normaler Teenager – doch er hat Krebs und verbringt die letzten Tage seines Lebens in einem Sterbehospiz. Trotz dieses »Einer-da-oben-hasst-mich-Syndroms«, wie Richard es selbst nennt, hat er seinen Lebensmut nicht verloren und tut alles dafür, so viel wie möglich aus der ihm verbleibenden Zeit zu machen: Sei es, sich Privatsphäre zu verschaffen, wo es eigentlich keine gibt, zu Halloween verkleidet durch die Straßen zu fahren oder die Nähe der 15-jährigen und ebenfalls sterbenskranken Sylvie zu suchen …
Meine Gedanken zu dem Buch:
Bei "Einer da oben hasst mich" sprach mich die schon der Stil in der Leseprobe direkt an so dass ich beschloss, dieses Buch unbedingt weiter zu lesen. Ein Blick in die Vita der Autorin war für mich sehr interessant und traurig zugleich, denn es zeigte mir, dass die Autorin selbst mit der Thematik vertraut war. Durch die jahrelange Pflege ihres Sohnes hat Hollis Seamon viel Zeit in Kinderkrankenhäusern verbracht. Die Jugendlichen dort, die trotz ihrer Krankheit Teenager blieben, haben sie dazu inspiriert, dieses Jugendbuch-Debüt zu schreiben.
Wie schon gesagt, der Stil gefiel mir besonders, denn Richie sprach mich direkt an, erzählte mir aus seinem Leben im Sterbehospiz. Zehn Tage, in denen ich einen Einblick in sein Leben bekam, in seine Gedanken... Zehn Tage, die interessant und aufwühlend gleichzeitig waren. Nichts erscheint oberflächlich, auch wenn Richies Ausdrucksweise vielleicht manchmal dafür sorgen mag, dass man diesen Eindruck erhält. Aber er ist siebzehn und das merkt man eben auch an seiner Art, seine Geschichte zu erzählen. Das darf auch schon mal flapsig und frech sein, oder? Vielleicht ist es aber auch genau das, was der Geschichte die Schwere nimmt. Es herrscht eine gewisse Art von Lockerheit und doch wird mir vermittelt, wie sich nicht nur Richie, sondern auch die Angehörigen, die Pfleger und Freunde fühlen, was sie bewegt, womit sie tagtäglich kämpfen.
Sich komplett aufgeben kommt für Richie nicht in Frage. Er ist realistisch und verdrängt nichts, aber er bewahrt sich dennoch seinen Humor, natürlich durchzogen mit einem gewissen Grad an (sehr verständlichem) Sarkasmus. Aber er findet Sterben einfach "todlangweilig" und nutzt die Zeit, seine Umwelt auf der Hospizstation eingehend zu studieren - angefangen bei den Patienten, Pflegekräften, Besuchern bis hin zur (in seinen Augen äusserst schrägen) Harfenistin am Eingang, die tatsächlich tagtäglich dort sitzt und traurige Lieder spielt.
So fertigt er sich auch einfach mal eine Liste an, was ihm denn nun so erspart bleibt, über was er sich keine Sorgen mehr machen muss: Arbeitslosigkeit, Scheidung, undankbare Kinder, Weisheitszähne, Cholesterinspiegel oder auch Mittelglatze sind nur so ein paar Dinge, die er da notiert hat. Er findet es auf eine gewisse Weise "ziemlich cool". Er erlaubt sich Späße und macht gerne mal alle verrückt. Dass er in der Tat aber nichts verdrängt, merkt man bewusst an den Momenten, in denen er sich um die Zukunft seiner Mutter sorgt und gewisse Vorsorge trifft.
Und dann ist da ja auch noch Sylvie... Die Gefühle, die sich zwischen den beiden Teenagern entwickeln, stärken beide. Richie verweigert das Essen plötzlich nicht mehr und Sylvie fühlt sich stärker, kräftiger. Die Entwicklung der Romanze mag dem ein oder anderen vielleicht zu schnell vorkommen und womöglich zu extrem sein, aber es gelten leider auch ganz andere Maßstäbe... zumal es da ja auch wahrlich kein Regelwerk dafür gibt. Sie haben die Möglichkeit, die Liebe noch kennen zu lernen und lassen es einfach zu, lassen es auf sich zukommen. "Liebe" kann so facettenreich sein... Sie kann plötzlich auftreten und auch nur ein ganz kleines Gefühl sein, ein Kribbeln im Bauch, ein ständiger Gedanke - oder auch eine regelrechte Gefühlsachterbahn. Und wenn sich zwei Menschen auf diese Weise Gutes tun wie Sylvie und Richie, dann kann auch das Liebe sein... oder Glück... oder erfüllter Abschied...
Kurz & gut - mein persönliches Fazit
"Einer da oben hasst mich" ist kein leichter Jugendroman, was die Thematik betrifft. Aber Hollis Seamon ist es gelungen, eine ausgeglichene Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit dem Thema gegenüber zu schaffen, so dass das Lesen eigentlich sehr leicht fällt. Dennoch regt das Buch sehr zum Nachdenken an und das Gelesene hallt noch eine ganze Weile nach und beschäftigt. Nicht die Krankheit selbst steht hier im Vordergrund - sondern der Mensch selbst. Das empfinde ich als ein äußert positives Merkmal dieses Buches. Vergleiche zu anderen Werken dieser Art möchte ich in keinem Fall ziehen, da hierbei doch jedes für sich alleine steht und das Thema auf eine ganz andere Weise angeht. Ich habe mir nach Zuschlagen des Buches noch lange Gedanken darüber gemacht und ich kann es wirklich sehr empfehlen.
© Rezension: 2014, Alexandra Zylenas
Einer da oben hasst mich - Hollis Seamon - übt Verlag
Jugendbuch - ab 14 Jahren - Gebundenes Buch mit Schutzumschlag - 256 Seiten
ISBN: 978-3-570-16283-5
[alexandra]
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