Rezension: Die chinesische Sängerin | Jamie Ford


Seit dem Tag, an dem der leblose Körper seiner Mutter aus dem Haus getragen wurde, lebt William Eng im Waisenhaus. Als er im Kino die schöne Sängerin Willow Frost sieht, ist er überwältigt. Täuschend ähnlich sieht sie seiner Mutter. Entschlossen, den fernen Filmstar aufzuspüren, läuft er fort, schlägt sich auf den Straßen Seattles durch, sucht sie in Theatern und Lichtspielhäusern. Er muss Willow Frost finden. Er muss beweisen, dass sie seine Mutter ist, und endlich erfahren, was damals passierte. Vor dem Hintergrund der Großen Depression im Seattle der dreißiger Jahre hat Jamie Ford einen berührenden Roman über einen Jungen geschrieben, der nicht aufhört, an die Liebe seiner Mutter zu glauben, der alles wagt, um sie wiederzufinden.


Familiendramen sind immer Besonders. Besonders berührend, ergreifend und oft auch unbegreiflich, wie sich das Leben drehen kann. Die Protagonisten in diesem Buch sind stark, mutig und zeitgleich verletzlich und sensibel. William Eng, der kleine Junge im Sacred Hearts Waisenhaus, als einziger Asiate erinnert sich noch an die Tage mit seiner Mutter, bis zu dem Tag, an dem sie vom Krankenwagen abgeholt wird. Alles woran er sich zu Beginn klammert, sind ihre letzten Worte, ihr Versprechen, das sie wieder kommt. Die Geschichte spielt in den Jahren zwischen 1921 und 1934. Zu Beginn erfahren wir einiges über William und sein Leben im Waisenhaus. Über den Geburtstag, den alle Kinder am selben Tag im Heim feiern. Immer an diesem besonderen Tag bekommen die Kinder entweder einen Brief ihrer Angehörigen oder Informationen bzw. Erinnerungen ihrer Liebsten durch die Leiterin mitgeteilt. Bei William kommt leider kein Brief und die Informationen, die er über seine Mutter erhält, kennt er bereits. Zudem besuchen die älteren Kinder gemeinsam an diesem Tag immer das Kino und genau dort sieht William durch einen Zufall eine Sängerin namens Willow Frost. Ihre Stimme, ihr Aussehen alles erinnert an seine Mutter. Er ist überzeugt, dass sie es war. Nach diesem Tag ändert sich bei William einiges, er ist überzeugt, dass sie es war und er sie wieder finden muss. Im Heim freundet sich William unterdessen mit dem blinden Mädchen Charlotte an. Sie teilen ihre Geheimnisse, Träume, Trauer und Freude. Charlotte unterstützt William bei der Suche nach seiner Mutter und haut sogar mit ihm ab. Mit dem wenig ersparten schaffen sie es sogar, Willow Frost zu finden. Doch dort wird William wieder sehr rasch von ihr getrennt, ohne überhaupt eine Erklärung für ihr Verschwinden zu bekommen. Zurück im Heim ist er niedergeschlagen. Als dann auch noch Charlotte das Heim verlassen soll, weil ihr Vater sie zurück nach Hause holen will, ist William verzweifelt und kann sich nur bedingt für Charlotte freuen. Diese Freude wird allerdings durch einen tragischen Verlust getrübt, der mir wirklich sehr nahe ging.

Der Morgen darauf war düster und trostlos. Es nieselte, und die Sonne ließ sich nicht blicken, war verborgen hinter einer dichten, kränklich fahlen Wolkendecke. Zitat Seite 220

Willow Frost Williams Mutter ist in Amerika geboren und ihre Eltern waren kultivierte und moderne Chinesen in Amerika. Nach dem Tod ihres Vaters heiratet ihr Onkel die Mutter, um nicht alles zu verlieren. Nachdem ihre Mutter stirbt, holt sich Ihr Onkel seine erste Frau aus China nach Amerika. Fortan bricht für Williams Mutter die Hölle aus. Noch jung, unerfahren und verletzt über den Verlust der Eltern, erduldet sie die Schikanen der neuen Ehefrau und des Onkels. Seine Liebe zu ihr ist nicht väterlich, sondern anstößig, bedrängend und demütigend. In diesem Buch kommen wir von einem Schicksalsschlag in den Nächsten und beider Leben ist so mit Trauer gespickt, dass man zeitweise die Hoffnung auf ein gutes Ende verliert und dennoch gefesselt ist. William erfährt durch Erzählungen seiner Mutter, dass sein Onkel sein leiblicher Vater ist und seine Mutter ihn verstecken musste. 

Die Charaktere sind wunderbar passend gewählt, harmonieren trotz großer Emotionen und dem Gefühl von Verlassen werden. Weiter möchte ich hier nicht ausholen, dieser Roman ist eine Mischung aus alt und modern, aus den bekannten asiatischen Schriftzügen vor der amerikanischen Kulisse der dreißiger Jahre. Tiefsinnig ab der ersten Seite.

Denn Willow Frost ist vieles, dachte William, eine Sängerin, eine Tänzerin, ein Filmstar, ber zunächst und vor allem ist Willow Frost meine Mutter. Zitat Seite 22

Persönliches Fazit

Die Anmerkung des Autors hat diesem wunderbaren Roman noch das Sahnehäubchen aufgesetzt. Er gibt uns einen kleinen Einblick über den Hintergrund dieser Geschichte und das es sich nicht um reine Erfindung handelt. Sondern das auch einige Züge bzw. Verbindungen zum Leben seiner Eltern gibt. Eine wunderbare berührende Geschichte, nostalgisch, melancholisch und so voller tiefer Gefühle, wie es nur zwischen einem Kind und seiner Mutter sein kann.


© Rezension: 2014, Aygen Ekici


Die chinesische Sängerin von Jamie Ford, erschienen im Berlin Verlag
Originaltitel: Songs of Willow Frost
31.03.2014 / Hardcover mit Schutzumschlag / 368 Seiten
ISBN 13: 978-3-8270-1184-8

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