Rezension | Das Museum der Stille | Yoko Ogawa

KLAPPENTEXT: Ein junger Mann kommt in ein abgelegenes Dorf in der Provinz. Unter Anleitung einer alten Dame soll er dort ein Museum einrichten, das eine Sammlung von Alltagsgegenständen beherbergt. Alle Gegenstände wurden von der alten Dame gestohlen, um die Erinnerung an verstobene Dorfbewohner zu bewahren. Schon bald wird er von der alten Dame gedrängt, sich selbst auf die Suche nach Erinnerungsstücken zu machen. Als dann jedoch eine junge Frau ermordet wird und man den jungen Mann am Tatort beobachtet, gerät er unter Verdacht, die Tat begangen zu haben. 
"Was ich im Auge habe, ist ein grandioses, bedeutungsvolles Museum, das einzigartig ist und das ein Grünschnabel wie Sie sich gar nicht vorstellen kann. Und wenn Sie einmal angefangen haben, unterstehen sie sich, mittendrin aufzuhören!." Zitat Seite 13

Meine Gedanken zu dem Buch:

Die Geschichte „Das Museum der Stille“ ist im positiven Sinne schwer zu beschreiben. Für alle die bereits Werke der Autorin kennen, wissen was ich meine. Nicht die Handlung der Geschichte an sich ist ausschlaggebend, sondern das ganze Geschehen und die Beschreibung der Protagonisten. Wer die Autorin noch nicht kennt, wird nach dem ersten gelesenen Roman sicherlich zum Nächsten greifen und sich, wie ich auch, vertraut und verzaubert fühlen.
Die Autorin greift hier nach ihrem bereits bekannten Muster. Die Protagonisten werden detailliert in ihren Charakterzügen und Mimiken beschrieben aber dennoch nicht benannt. Aber die Namenlosen wirken so vertraut und irgendwie auch auf ihre Art so gewöhnlich, dass man erst am Ende feststellt, dass man hier die ganze Zeit von einem Jungen, dem Gärtner, einer alten Greisin und einem Mädchen gelesen hat, deren Existenz sich ausschließlich an den überaus auffälligen Charakterzügen einen Platz in der Geschichte fest machen und so auch in unseren Köpfen. Sie verzichtet ebenso auf Ortsnamen. Man befindet sich also in einem kleinen malerischen Ort, mit einem wunderschönen Marktplatz, in dem alljährlich zudem ein besonderes Baseballspiel stattfindet, weiß aber dennoch nicht, wie diese Stadt heißt oder in welchem Land wir uns befinden. Anfänglich etwas befremdlich aber für Ogawa Leser bereits gewohnt und schön.

"An allen Gegenständen waren Zettel mit dem Namen und Todestag ihres Besitzers befestigt, aber da die meisten davon zerrissen waren oder die Schrift nicht mehr zu entziffern war, half mir das wenig." Zitat Seite 55

Die Geschichte entwickelt sich langsam, mit der Anreise eines jungen Mannes, der einen Auftrag zur Gründung eines Museums angenommen hat. Zu Beginn seiner Reise, geht er noch von einer ihm bereits bekannten Auftragslänge von ein paar Wochen aus. Angekommen erfährt er erst, dass es sich hierbei nicht um alte, geschichtliche Exponate handelt, sondern um gestohlene Gegenstände. Die Meisterdiebin ist allerdings eine kratzbürstige, direkte, unhöfliche und teilweise eklige alte Greisin, deren Umgangsformen wirklich zu Wünschen übrig lassen. Der junge Mann erlernt somit ihm bisher eine unbekannte Art und Weise, um an Ausstellungsstücke für ein Museum zu kommen. Die Geschichte wird aus Sicht des jungen Mannes erzählt und man begleitet ihn auf seinen teils makaberen Aktionen bei Tag und Nachtzeit. Als es jedoch darum geht, einen Gegenstand aus der Wohnung einer getöteten jungen Frau zu holen, gerät der junge Mann unter Mordverdacht. Die Entwicklung der Geschichte nimmt erst hier an Spannung an und verliert dennoch nicht an poetischem Einfluss. Mit Krimitypischen Passagen im letzten Drittel entwickelt die Geschichte jedoch ein ungewohntes aber bedeutendes Ende.

Die Covergestaltung wirkt harmonisch und strahlt Ruhe aus. Dem Titel entsprechend die „Stille“. Ein Ogawa Leser wird auch hier wieder voll auf seine Kosten kommen und sich in der wunderschönen klaren und doch poetischen Sprache verlieren. Für alle die noch nichts von der Autorin gelesen haben, sei gesagt: Wer Poesie, Wortwitz, Sarkasmus und eine besondere Stille in Büchern liebt, wird den Schreibstil der Autorin lieben.

Kurz & gut – mein persönliches Fazit:

Yoko Ogawa hat einen einzigartigen Schreibstil. Entweder man mag ihn oder nicht. Sie versteht es, selbst sarkastische, brutale oder komische Situationen auf eine poetische und beflügelte Art zu umschreiben, wie es sehr wenige beherrschen. Nachdem ich so vom Roman „Das Geheimnis der Eulerschen Formel“ begeistert war, musste ich auch dieses Buch lesen. Sie ist sich definitiv treu geblieben und obwohl die Geschichte komplett anders als erwartet endet, entdecken wir hier die klare Struktur und den so bekannten Schreibstil der Autorin ab der ersten Zeile. Eine wunderbare Autorin, die es immer wieder schafft aus einer anfänglich unbedeutsamen Geschichte und alltäglichen Handlung ein poetisches Meisterwerk zu zaubern.

© Rezension 2013 Aygen


© Website Aufbau Verlag mit freundlicher Genehmigung des Verlages.
Buch Zitate: Die Seitenangaben befinden sich unter dem jeweiligen Zitat.
© by Yoko Ogawa

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