Rezension | Der große Trip | Cheryl Strayed

„Die Frau mit dem Loch im Herzen, das war ich.“ Gerade 26 geworden, hat Cheryl Strayed das Gefühl, alles verloren zu haben. Und so trifft sie die folgenreichste Entscheidung ihres Lebens: mehr al tausend Meilen zu wandern, durch die Wüsten Kaliforniens, über die eisigen Höhen der Sierra Nevada, durch die Wälder Oregons bis zur „Brücke der Götter“ im Bundesstaat Washington – allein, ohne Erfahrungen und mit einem Rucksack auf dem Rücken, den sie „Monster“ nennt. Diese Reise führt sie bis an ihre Grenzen und darüber hinaus… 

Meine Gedanken zu dem Buch

Das Buch ist in 5 Teile unterteilt und diese wiederrum in einzelne Kapitel. Jeder einzelne Teil hat noch eine weitere Überschrift und macht den Anfang durch ein Zitat einer berühmten Person. Auch die Karte des PCT ist vorne im Buch abgedruckt und am Ende ist noch aufgelistet, welche Bücher Cheryl Strayed auf ihrer Reise gelesen bzw. verbrannt hat um auf ihrem weiteren Weg an Gewicht zu sparen.

Das Cover ist schlicht und ein einzelner ausgelatschter Wanderstiefel mit roten Schnürsenkeln verziert dieses weiße Cover mit großer schwarzer Schrift. Die Gestaltung hat mich schon eine ganze Weile angesprochen, allerdings konnte ich mir anfänglich nicht vorstellen, dass man eigentlich eine Lebensgeschichte bzw. eine Reise zu sich selbst so emotional und dennoch mit der richtigen Prise Humor umsetzen kann.
Cheryl Strayed erzählt gleich zu Beginn, den Verlust ihrer Mutter auf so intensive und emotionale Weise, dass ich zeitweise mit den Tränen kämpfen musste. Sie war noch so jung, als sie erfahren musste, wie es ist, wenn dein Halt, dein Fels in deinem Leben, dich verlasen muss.

"Sie sollte im gleichen Augenblick aus meinem Leben scheiden, in dem ich in ihres getreten war, dacht ich." Zitat Seite 21

Viel möchte ich hier über die Geschichte und den Verlauf nicht erzählen. Dieses Buch ist mehr als ein persönlicher Reisebericht oder eine Lebensgeschichte. Es liegt die Kunst darin auch zwischen den Zeilen zu lesen und deshalb sollte man sich hier die Ruhe und Zeit nehmen und auch neben den lustigen und aufregenden Passagen sich auf die traurigen und tiefgründigen Momente im Leben von Cheryl Strayed konzentrieren zu können, die wie ich finde zum großen Teil auf jeden von uns zutrifft. Sich immer wieder ins Gedächtnis rufen, dass wir hier nicht eine fiktive Geschichte sondern direkt über die Autorin und ihr Leben lesen. Ein Mensch, der uns die Tür zu seinem Innersten öffnet. Die Verletzlichkeit, die Schwächen, die Erfahrungen und Verluste. Die Autorin schreckt auch nicht davor zurück, ihre Erfahrung mit Heroin zu schildern oder Ihre Seitensprünge sowie die Trennung von ihrem Mann . Es ist kein Buch, in dem die Autorin sich selbst lobt sondern ihre Seele entblößt.

"Auf das, was da in mir wuchs, sollte ich mich Jahre später besinnen, als Trauer mein Leben aus der Bahn warf. Es gab mir den Glauben, dass mich eine Wanderung auf dem Pacific Crest Trail wieder zu dem Menschen machen konnte, der ich einmal gewesen war." Zitat Seite 30

Die Autorin erscheint zu Beginn verletzt, verloren und ohne Lebenswillen, aber von Kapitel zu Kapitel erlebt man ihre Veränderung. Wie sie stärker wird, nicht nur seelisch sondern auch körperlich. Eine Frau, die durch ein tragisches Ereignis aus ihrem Leben gerissen wird und ohne Erfahrung sich auf einen langen Fußmarsch aufmacht, um wieder ihren Lebenswillen zu finden. Ein Trip der über 4000 Km geht und neben den schönen Begegnungen mit anderen Wanderern, den schönen Landschaften auch die harten und erbarmungslosen Seiten, so einer langen Reise zu Fuß, nur mit einem Rucksack auf dem Rücken, mit sich bringt.

Bewundernswert, wie viel Stärke sie im Laufe ihrer Reise entwickelt. Nicht nur körperlich sondern auch geistig. Trotz der Tiefgründigkeit dieses Buches, verliert man nie die Spannung, selbst die vielen kleinen erheiternden Ereignisse auf ihrer Reise wirken so erfrischend und fesseln einen. Es ist üblich, dass wir Menschen an manchen, wenn auch glücklicherweise an wenigen Tagen, an uns selber und unserer Umgebung zweifeln. Dieses Buch hat mich ein Stück dankbar gemacht. Wir sind durch unseren Willen, in der Lage Schmerzen, Trauer und Erschöpfung zu erfahren, die weitaus über unsere bisher gekannten Grenzen gehen.

Kurz & gut - mein persönliches Fazit

Cheryl Strayed hat mich berührt und mir die Möglichkeit gegeben, Einblick in ihr bisheriges Leben zu gewinnen. Ich habe mir sehr viel Zeit beim Lesen gelassen. Stets etappenweise gelesen, so als würde ich auch immer wieder ein paar Kilometer zurücklegen, auf der schweren Reise. Der große Trip ist mehr als der Titel dieses Buches. Es hat mir gezeigt, wie stark ein Mensch sein kann. Physisch und psychisch, fernab vom Alltag oft auf sich allein gestellt in der Wildnis. Zudem konnte ich mir häufig auf der Facebook Seite von Cheryl Strayed Bilder zu ihrem Trip auf dem Pacific Crest Trail (PCT) ansehen, die mich immer in meiner Vorstellung bestätigt haben. Ein absolutes Lesehighlight für alle die sich in schwachen Lebensmomenten nach Stärke und Zuspruch sehnen. Meinen absoluten Respekt an die Autorin für so viel Mut, Stärke und Offenheit. Auf ihrer Facebook Seite habt ihr die Möglichkeit viele Bilder von PCT zu sehen, zudem laufen gerade die Dreharbeiten zu dem gleichnamigen Film. Die Autorin wird hier übrigens von Reese Whiterspoon gespielt, hierzu könnt ihr mehr auf ihrer Facebook Seite lesen.

© Rezension: 2013, Aygen (AE)


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