"Es war am Morgen meines dreizehnten Geburtstags, als Ramona eine Tiefkühltorte föhnte ..."
Inhalt:
Die dreizehnjährige
Celestine, von den meisten einfach nur Stine genannt (oder auch Stint, wie ihr
Vater sie öfters ruft) hat es nicht leicht in ihrem Leben: Denn ihre Familie
ist alles andere als eine normale Durchschnittsfamilie - in ihrer Familie
herrscht das blanke Chaos. Ihre leibliche Mutter lernte sie nie kennen, ihre
dauerbetrunkene Stiefmutter Ramona dagegen mehr, als ihr lieb ist. Reiner,
ihr Vater gibt sich völlig seinem Zwiebelmett-Rezepten hin und eröffnet sogar
ein Imbiss eigens für seine Mettbrötchen. Einzig seine Methol-Ziegaretten
können dem Mett noch das Wasser reichen. Ja und dann wären da unter
Anderem noch ihre unter Depressionen leidende, lesbische Tante Trixi und ihr
bester Freund - ein schwuler Arzt aus Amerika.
Die Weichen scheinen für Stine gelegt zu sein. Ohne jeglichen Antrieb und ohne
eigene Zukunftspläne arbeitet sie nach der Schule selbst im Imbiss ihres
Vaters. Als sich ihr eines Tages unerwartet eine Chance bietet,
entschließt sie, ihr Leben endlich in die eigene Hand zu nehmen und beginnt
eine neue Arbeit in der Altenbetreuung. Die extravagante Lilli und der etwas
skurrile Heinrich bringen Stine auf andere Gedanken. Und dann ist da ja auch
noch Enki, der unbekannte Gefühle in ihr auslöst...
Handlung / Charaktere:
Jasmin Ramadan schaffte mit
"Das Schwein unter den Fischen" ein Werk, dass zum einen sehr
sozialkritisch ist und zum anderen dem Leser aber auch eine skurril-komische
Unterhaltung bietet. In der "Ich"-Perspektive erzählt Stine ihre
junge Lebensgeschichte auf mal zynische, mal ironische Art, aber auch oft in
sehr amüsanter Weise. Dieser Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen und lässt
viel Freiraum für ihre Gedanken zu. Dem Leser fällt es so leicht, sich in Stine
und ihrer verdrehten Gefühlswelt einzufinden.
Das Thema regt sehr zum Nachdenken an. Vieles kommt einem beim Lesen erst als
sehr zugespitzt und übertrieben vor, nach längeren Nachdenken allerdings revidiert
man seine Meinung, denn man findet doch immer wieder Parallelen zu
verschiedenen Situationen oder Momenten, denen man selbst im echten Leben
begegnete. Tatsächlich gibt es in unserer Gesellschaft einige Familien, die
Stines Familie in den ein oder anderen Situationen sehr ähneln (reicht es dazu
doch schon, einmal den Mut zu fassen und eine Nachmittags-Talkshow
einzuschalten ...)
Zum anderen lockert gerade
diese Überdrehtheit oftmals die Situation auf, die sonst recht düster auf
den Leser wirken würde. Denn Stine´s Leben ist in der Tat recht trostlos und
auch traurig.
Die Protagonistin Celestine ist ihrer Situation entsprechend sehr authentisch
dargestellt. Zynisch und etwas trotzig versucht sie, ihr Leben in den Griff zu
bekommen. Sie findet sich mit vielem ab, selbst als sie im Winter im kalten,
engen Schrebergartenhäusschen hausen mussten und versucht, sich davon nicht
unterkriegen zu lassen. Aber dies ist eine harte Nuss für eine Jugendliche auf
dem Weg zu Erwachsenwerden. So führt auch ihr Weg immer wieder mal zu Drogen
und Alkohol, aber nie zu Exzessen.
Ihre wachsenden Gefühle der Liebe und Eifersucht, die sie Enki gegenüber
entwickelt, verunsichern sie und sie muss erst einen Weg für sich selbst
finden, diese Gefühle zuzuordnen und damit umzugehen.
Reiner - Stines Vater - ist trotz seiner machohaften, etwas
"hinterwäldlerischen" Art sehr liebevoll und ist immer für seine
Tochter da (so gut er das eben kann). Auf naive und auch dumme Art und Weise
versucht er ihr durch ihre Ängste, wie zum Beispiel der Platzangst, zu
helfen. Und auch Ramona ist in ihrer Charakteristik und in Ihren Eigenschaften
sehr gut dargestellt. In ihrer Beschreibung treffen viele Klischees aufeinander
und man kann sich die verruchte, bauchtanzende, durch Alkohol und Zigaretten
immer heiser klingende Frau regelrecht bildlich vorstellen.
Zu Beginn lässt sich die Geschichte sehr flüssig lesen, jedoch baut dies im
Mittelteil etwas ab. Die Thematik ist weiterhin interessant, da sie nun Lilli
und Heinrich kennenlernt - zwei äußerst sympathische Charaktere - aber diesen
Teil hätte man etwas interessanter gestalten können. Das Lesen fällt im
Mittelteil etwas schwer und man neigt dazu, Zeilen zu überspringen. Zum
Ende hin liest es sich dann wieder flüssiger.
Ich hätte mich sehr gefreut, wenn Stines Selbstfindung etwas ausführlicher zur
Sprache gekommen wäre. Hier verspricht der Klappentext mehr, als er zuletzt
hält. Mehr Eigeninitiative hätte ich ihr zugetraut, seit sie das Imbiss
verlassen hat. Und zuletzt geht dann alles so schnell und der Leser erfährt
kaum, wie es eigentlich dazu kam. Denn für ein solches Projekt musste Stine
meiner Meinung auch geistig noch reifen. Doch hier wird der Leser zuletzt vor
vollendete Tatsachen gestellt. Auch gefällt mir die Entwicklung mir ihrer
eigenen Mutter nicht so sehr, hier wird die Geschichte und deren Zufälle etwas
zu unglaubwürdig.
Fazit:
Ein sozialkritischer Roman, den zum Teil
skurril-komisch und unterhaltend wirkt, aber auch sehr zum Nachdenken anregt. Ein
Roman, der sicher für gespaltene Meinungen sorgen wird. Wer die große Spannung
erwartet, wir hier enttäuscht werden. Meines Erachtens steckt einiges an
Tiefgang in dieser Geschichte - man wird diesen Tiefgang jedoch erst finden,
wenn man sich seine eigenen Gedanken über das Gelesene macht. Daher finde ich,
dass es kein Buch für das schnelle Lesen nach Feierabend ist.
Abzug gebe ich für das Ende, das mir persönlich nicht zu schnell und
unaufgeklärt kommt. Auch die Entwicklung der Geschehnisse zum Ende sagen mir
persönlich nicht so zu.
Aber alles in Allem ein empfehlenswertes Buch für Liebhaber der
Gegenwartsliteratur.
© Alexandra Zylenas
Labels: Beitrag von Alexandra, Rezension, Roman